Dortmund. Privat oder Staat - wer darf die Geschäftsfelder beackern, die sich mit der Wertstofftonne auftun, die Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) spätestens ab 2015 bundesweit einführen will?
In Dortmund rüstet sich die städtische Entsorgungstochter EDG für die Einführung der kommunalen Wertstofftonne ab 2011; andere Städte, wie Bochum, wollen nachziehen. Dagegen laufen die privaten Entsorger Sturm.
Die EU-Abfallrahmenrichtlinie gibt vor, dass Plastik (auch wenn keine Verpackungen mit Grünem Punkt), Metalle und Verbundmaterialen nicht länger verbrannt und in Strom und Wärme umgesetzt, sondern aussortiert und aufbereitet werden. Ziel: Sie sollen, so technisch möglich, als Ersatzrohstoffe zur Herstellung neuer Produkte dienen.
Zwecks Umsetzung in nationales Recht hat Bundesumweltminister Röttgen, wie im März berichtet, einen ersten, vielfach noch schwammig formulierten Arbeitsentwurf für ein neues Kreislaufwirtschaftsgesetz vorgelegt. Neue Zielvorgabe für die Abfallverwertung: Hausmüll darf ab 2020 nur noch zu 35 Prozent thermisch genutzt werden darf.
Dass die privaten Haushalte mitziehen, wenn es darum geht, die natürlichen Ressoucen zu schon, steht außer Frage. Strittig ist, wer die zusätzlich getrennt gesammelten Wertstoffe bei den Bürgern abholen und die Mengenströme gewinnbringend lenken darf. Schon hauen sich Lobbyisten der privaten und der öffentlich-rechtlichen Entsorger die widersprüchlichsten Rechtsgutachten um die Ohren.
Dortmund will nicht solange warten, bis sich der Pulverdampf legt. Mit großer Mehrheit hat das Stadtparlament die Entsorgungstochter EDG damit beauftragt, ab Januar 2011 die gelbe Tonne - bislang den Verpackungen mit Grünem Punkt vorbehalten - zur kommunalen Wertstofftonne aufzuwerten. Die Packungen mit grünem Punkt können in der Wertstofftonne bleiben oder auch separat in gelben Säcken und auf Recyclinghöfen gesammelt werden - je nach dem, ob die Betreiber des Dualen Systems die Wertstofftonne mitbenutzen wollen.
Damit wird die EDG zur Zielscheibe. In einem Protestbrief an das NRW-Umweltministerium nennt der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) das Dortmunder Vorpreschen „rechtswidrig” und fürchtet eine „Rekommunalisierung der Verpackungsentsorgung”.
Auch das Bundesumweltministerium mahnt zur Zurückhaltung. Zunächst sei etwa zu klären, welche Abfälle für die Wertstofftonne geeignet sind. Auch sei noch offen, wer die Verantwortung für die neue Tonne tragen und wer die Erfassung, Sortierung und Verwertung der Abfälle finanzieren soll. „Schnellschüsse und Alleingänge” seien „weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll” und auch „nicht verbraucherfreundlich”.
Immerhin: Mehrere Bundesländer sprachen sich bereits für eine kommunale Wertstofftonne aus. Grund: Sinkt die Auslastung der Müllöfen, steigen die Gebühren.
Als Speerspitze der Kommunen im Kampf um die
neuen Wertstoffe mag sich die EDG aber nicht sehen. Die Nutzung von Wertstoffen und Energie, die im Hausmüll stecken, sei „gemeinsame gesellschaftliche Aufgabe aller abfallwirtschaftlichen Akteure”, sieht EDG-Chef Klaus Niesmann die Privaten mit im Boot. Keineswegs wolle Dortmund private Anbieter ausschließen. Ziel sei aber, schon frühzeitig den geforderten Beitrag zur Erfüllung künftiger Recycling-Quoten zu leisten.
Neu ist das nicht. Die EDG sei schon seit Jahren bestrebt, so Niesmann, die Umweltstandards hoch und die Müllgebühren niedrig zu halten. Dabei nehme man in Kauf, den abfallwirtschaftlichen Vorreiter zu spielen. So habe Dortmund schon Ende 2003 als erste deutsche Großstadt die braune Tonne für Bio-Abfälle flächendeckend, also auch in den dicht besiedelten Innenstadt-Quartieren, aufgestellt. Was der Bundesumweltminister erst jetzt vorgeben will.