Dortmund. Dass es das Westfalenstadion gibt, ist eigentlich ein Wunder. Nach Fertigstellung 1974 machte der Bau einige Probleme. Blick in die Geschichte.

Der steinige Weg zum Fußballtempel: In den Anfangsjahren des Dortmunder Westfalenstadions ereigneten sich kleinere und größere Katastrophen. Dabei war es schon „ein kommunalpolitisches Wunder“, so BVB-Archivar Gerd Kolbe, dass die WM-Spielstätte von 1974 überhaupt errichtet werden konnte. Kolbe hat diese Geschichte schon oft erzählt. Jetzt – zum 50. Geburtstag des Stadions – berichtet er besonders gern.

„Meine Geschichte heißt das Wunder von Dortmund“, sagt Gerd Kolbe einleitend, als er im Jugendzentrum „Stern im Norden“ eine Podiumsdiskussion der BVB-Fanabteilung eröffnet. Er beginnt in den 1960er-Jahren, als Europapokalspiele der Borussia, gegen Topclubs wie Inter Mailand und Benfica Lissabon, noch im Stadion Rote Erde stattfinden: „Mit zwei ganz schäbigen Holztribünen. Das Stadion war absolut indiskutabel.“

Bau des Westfalenstadions: Der BVB ist finanziell und sportlich angeschlagen

Jahrelang diskutiert man in Dortmund über den Sinn eines Neubaus. Kosten werden geschätzt und Pläne wieder verworfen. Dass es doch noch etwas wird mit dem neuen Vorzeigestadion, ist eng mit der Person Erich Rüttel verknüpft. „Der leistete viel Überzeugungsarbeit“, sagt Gerd Kolbe über den einstigen Sportdezernenten der Stadt.

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„Und er ging der Fifa auf die Nerven“, führt der Archivar weiter aus. So landet Dortmund beim Fußballweltverband immerhin auf der Reserveliste für die anstehende WM – obwohl die Stadionpläne mit 54.000 Plätzen eine geringere Kapazität aufweisen, als für das Turnier eigentlich vorgeschrieben ist.

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Als im Oktober 1971 der Rat über den Bau abstimmt, scheinen Dortmunds Chancen auf die Weltmeisterschaft eher gering. „Wir hatten also nur den BVB, der pleite war und sportlich vor sich hindümpelte“, ordnet Gerd Kolbe ein. Dennoch ist das Engagement von Erich Rüttel von Erfolg gekrönt: 40 Ratsleute stimmen für das Millionen-Projekt, 13 dagegen, der Rest enthält sich. WM-Stadt wird Dortmund schließlich doch, nachdem sich Köln finanziell übernommen hat und die Teilnahme zurückzieht.

WM 74 in Dortmund: Das Flutlicht fällt aus – der Grund ist kurios

Nach knapp dreijähriger Bauzeit, wird im April 1974 in direkter Nachbarschaft zur „Roten Erde“ das erste Spiel ausgetragen. Statt der großen Stars des Weltfußballs stehen zunächst zwei Mannschaften aus der Region auf dem Feld: Beim 1:2 zwischen den Damen von TBV Mengede und VfB Waltrop erzielt Elisabeth Podschwadtke das erste Tor im Westfalenstadion überhaupt – 50.000 sehen zu.

Bei der WM 1974, hier beim Spiel Bulgarien - Niederlande, stand das Westfalenstadion sofort im Blick der Weltöffentlichkeit.
Bei der WM 1974, hier beim Spiel Bulgarien - Niederlande, stand das Westfalenstadion sofort im Blick der Weltöffentlichkeit. © picture alliance/United Archives | Werner Otto

Auch nach der Fertigstellung birgt der Neubau Herausforderungen. Ein echtes Problem ist anfangs das Flutlicht, das mitten während der Spiele einfach ausgeht – immer zur gleichen Zeit, auch bei der ersten WM-Partie zwischen Zaire und Schottland, vor den Augen der Weltöffentlichkeit. „Die Stadt war in Alarmstimmung“, erinnert sich Gerd Kolbe.

Noch rechtzeitig vor dem nächsten Turnierspiel gelingt es, den Grund dafür zu ermitteln. Der ist durchaus kurios: Jeden Abend gegen 20.50 Uhr wird in Dortmund die Straßenbeleuchtung eingeschaltet – jedes Mal erzeugt dieser Vorgang einen Überdruck in den Sicherungen des Stadions. Elektriker nehmen daraufhin einige Anpassungen vor, und ab sofort hält auch das Flutlicht durch.

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Im Frühling 1977, das Stadion ist inzwischen drei Jahre alt, ist die Verzweiflung wieder groß. „Millionen Würmer hatten den Rasen aufgefressen“, erinnert sich Kolbe, „in der Sonne sah der Platz aus wie eine Wüste, bei Regen wie ein Moor“. Das sorgt auch bei den Gegnern des BVB für Ärger, etwa bei Stürmer Danilo Popivoda von Eintracht Braunschweig. Der hat Torwart Horst Bertram umkurvt, schießt mit wenig Druck aufs leere Tor – doch der Ball bleibt kurz vor der Linie in einer Sandkuhle liegen.

Der Boden rettet der Borussia an diesem Tag ein torloses Unentschieden. Dass der Handlungsbedarf groß ist, weiß man in Dortmund trotzdem. Kurz vor Ende der Spielzeit wird der Rasen abgetragen, in der Sommerpause soll ein neuer her. Das letzte Heimspiel der Saison 1976/77 steigt auf fremdem Platz – ausgerechnet im Gelsenkirchener Parkstadion, wo der BVB 1:2 gegen den 1. FC Köln verliert.

Heute, viele Jahre und Ausbaustufen später, heißt das Westfalenstadion offiziell Signal-Iduna-Park.
Heute, viele Jahre und Ausbaustufen später, heißt das Westfalenstadion offiziell Signal-Iduna-Park. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Der neue Untergrund soll keine Wünsche mehr offen lassen. Dafür kommt extra John Escritt aus Dortmunds englischer Partnerstadt Leeds, der sonst das Grün am Buckingham Palace und in Wimbledon pflegt. „Mit Zigarette im Mundwinkel hat er hier den Rasen gesät“, erzählt Gerd Kolbe.

Das Engagement des als „Rasenpapst“ bekannten Escritt zahlt sich aus. Sowohl beim Saatgut als auch beim Sand arbeitet der Brite mit Spezialmischungen – es entsteht eine langlebige Spielwiese, die erst 1996 wieder ausgetauscht werden muss. Das Westfalenstadion hat seine letzte Kinderkrankheit überstanden.