Dortmund. Es ist nachhaltig und bringt sogar ein wenig Geld. Was der Dortmunder Upcycler Thomas Zigahn aus dem Müll anderer Leute alles macht.

Man soll klingeln, steht an der Tür. Dann macht Thomas Zigahn auf. Zumindest dienstags zwischen 12 und 19 Uhr. Zwei Treppen geht es hoch, weiter nach links und schon ist man in der Wohnung, in der er die Firma „Tanz auf Ruinen“ betreibt. Upcycling made in Dortmund. Aus Alt mach Neu.

Anfangs weiß man gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll, so viel gibt es zu sehen. Hier steht ein großer Kasten mit Münzen, dort liegt ein Stapel Briefmarkenalben, ein Stück weiter hängen Fahrradschläuche. Thomas schiebt schnell ein paar Kisten zur Seite, macht einen Hocker frei. „Etwas chaotisch hier heute“, sagt er, überlegt kurz und verbessert sich. „Eigentlich ist es immer etwas chaotisch hier.“ Was normal ist, wenn man so gut wie nichts entsorgt, sondern auch noch lagert, was andere entsorgen wollten.

„Schon nach drei Wochen war ich auf einmal selbstständig“

Aber Thomas – klein, drahtig, T-Shirt zu kurzer Hose – ist kein Messie, er ist eigentlich nicht einmal ein Sammler. „Nur nichts wegwerfen“, lautet seine Devise. „Upcycling ist mein tägliches Brot“, sagt der 37-Jährige, der in Dortmund einst erst Sonder-, dann Rehabilitationspädagogik studiert und abgeschlossen hat. Der dann aber 2013 „keine Lust auf Lohnarbeit mehr hatte“. Eigentlich wollte er damals „erst einmal ein Jahr arbeitslos bleiben“ – auch um in Ruhe darüber nachzudenken, wohin sein Weg ihn führen könnte. „Aber schon nach drei Wochen war ich auf einmal selbstständig.“

Schlüsselanhänger aus Kronkorken? Kein Problem für Thomas Zigahn.
Schlüsselanhänger aus Kronkorken? Kein Problem für Thomas Zigahn. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Wahrscheinlich musste es so kommen. Weil bei Zigahn Kreativität auf Geschick trifft und er so zwar nicht aus Müll Gold machen kann, aber immerhin Geld. Bei ihm werden alte Fahrradmäntel zu Gürteln, Kronkorken zu Schlüsselanhängern und alte Unterteller und Tassen zu Etageren. LP-Cover verwandeln sich in Postkarten, die Vinyl-Scheiben darin selbst in Uhren oder Schalen. Oft sind es Einzelstücke, meistens Kleinserien. Er verkauft sie in seinem Geschäft, auf Messen oder über das Internet. Und einiges auch über Händler, die Teile seiner Kollektionen ins Angebot nehmen.

Aufwand muss im Verhältnis zum möglichen Preis stehen

Manchmal steht er stundenlang in seinem Lager. Überlegt, was er machen kann, wie er es machen kann. Und wenn er das weiß, dann fragt er sich, ob der Aufwand auch im Verhältnis zum Ergebnis steht. Einkaufstaschen aus alten Tetrapaks etwa macht er nicht mehr. „Das dauert so lange, dass ich einen Preis dafür nehmen müsste, den keiner bezahlen würde“, sagt er ebenso leise wie freundlich.

Zur Zeit arbeitet er viel mit Münzen. Lira, Gulden, Schilling. Alle nichts oder kaum was wert. Ein Hebelpresse hat er sich gekauft und Löcher in die Geldstücke gemacht. Und eine Trauringweiten-Änderungsmaschine hat er sich auch besorgt. Alles nur um Ringe aus den Münzen zu machen. Hat viel probiert, manches ging daneben, mittlerweile aber läuft es.

Auch Medaillons mit eingearbeiteten Landkarten gibt es bei „Tanz auf Ruinen“
Auch Medaillons mit eingearbeiteten Landkarten gibt es bei „Tanz auf Ruinen“ © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Meistens ist aber gar nicht so viel Aufwand nötig. Ein Plektron aus alten Telefon- oder Kreditkarten? Alte Disketten als Buchdeckel? Buttons mit eigenen Motiven? Thomas winkt ab. „Im Grunde kann das jeder machen.“ Und wenn es einer nicht kann, dann zeigt er es ihm gerne. Bei Workshops, für die Zigahn immer öfter engagiert wird. „Das bringt mir mittlerweile mehr ein als der Verkauf“, sagt er. Was zum einen wohl an seinen Ideen liegt, zum anderen aber auch daran, dass Upcycling ein immer größeres Thema in der Gesellschaft wird. „Zumindest bei den Leuten, mit denen ich in Kontakt komme“, sagt der gebürtige Dinslakener.

„Irgendwann habe ich auch für diese Dinge eine Idee“

Und wenn seine Sachen dann nachgemacht werden und diese Leute nichts mehr bei ihm kaufen? Thomas lacht wieder. Schützen ließen sich seine Einfälle ohnehin kaum. „Außerdem ich bin kreativ genug, um mir immer wieder etwas Neues einfallen zu lassen“, sagt er und zeigt auf das „Weiß noch nicht was ich damit mache“-Regal in der Ecke des Zimmers. Da stehen Kisten mit Buchstaben von Tastaturen, ausgemustertem Kinderspielzeug und alten Musikkassetten. „Irgendwann habe ich bestimmt auch für diese Dinge eine Idee.“

Reich kann mit Upcycling niemand werden

Davon ab, sagt Thomas Zigahn weiter, gehe es ihm nicht in erster Linie ums Geld. Es gehe ihm auch um die Idee der Nachhaltigkeit, darum, nutzlos erscheinenden oder ausgedienten Stoffen ein neues, hochwertigeres Leben einzuhauchen. „Wenn ich dann davon leben kann“, findet er, „umso besser.“ Obwohl er eines ganz schnell festgestellt hat. „Reich kannst du mit Upcycling niemals werden.“