Dortmund. . Stefan T. soll das Haus, in dem er wohnte, gesprengt haben. Eine Mieterin starb. Im Prozess wird deutlich: Er machte Nachbarn schon zuvor Angst.

„Merkwürdig“ haben sie Stefan T. genannt, die Menschen in der Teutonenstraße in Dortmund-Hörde. Für „einen Spinner“ haben sie ihn gehalten, für einen, der „nicht alle Tassen im Schrank hat“. Viele sind ihm aus dem Weg gegangen, manchen hat er Angst gemacht aber für die meisten ist er lange Zeit „eigentlich harmlos“. Bis er – laut Anklage der Dortmunder Staatsanwaltschaft – seine Wohnung in die Luft jagt. Eine Frau stirbt, mehrere Menschen werden scher verletzt, fast 20 Familien obdachlos. Seit Ende September steht T. deshalb nun vor Gericht.

Ihr Mandat wolle eine Aussage machen, hatte seine Verteidigerin Nicola Skoberne bereits zum Prozessauftakt gesagt. Gestern dann war es soweit. Aber viel klüger ist das Gericht dadurch nicht geworden. Denn T. entschuldigt sich zwar für die Ereignisse, kann sich aber angeblich an gar nichts erinnern. Nicht an die Explosion, nicht an die Zeit davor. Tage, Wochen, ja ganze Jahre, habe er vergessen, behauptet er. „Da ist nichts mehr vorhanden.“

„Schuld sind die vielen Medikamente“

Schuld, mutmaßt der 49-jährige selber, seien wohl die vielen Medikamente die er im Laufe der Zeit genommen habe, „um im Leben klar zu kommen“. Manisch depressiv sei er, einen Tag himmelhoch jauchzend, den nächsten zu Tode betrübt. Inwieweit das seine Schuldfähigkeit beeinträchtigt, soll ein Gutachten klären.

So muss das Gericht die Ereignisse mit Hilfe von Zeugen rekonstruieren. Vor allem Nachbarn sind es, die im Zeugenstand aussagen. Und was sie dabei erzählen, klingt wie die Chronik einer angekündigten Katastrophe. Als T. Ende der 90er-Jahre eingezogen sei, erinnert sich etwa der Rentner aus der Parterre, „war es mit der Ruhe vorbei.“ Laute Musik, Geschrei, „irgendwas war immer“. Und die 73-jährige Waltraud P. (Name geändert), die direkt neben T. im zweiten Stock wohnt, bestätigt: „Es wurde immer schlimmer. Ich habe es nicht mehr ausgehalten.“

Polizei: „Der ist krank, der tut aber nichts“

Ständig habe T. Selbstgespräche geführt, mehrfach sei er nur „halb bekleidet“ durch die Straßen gelaufen, erzählt ein Bewohner aus dem ersten Stock. Eine Nachbarin sieht den Angeklagten sogar völlig nackt auf seinem Balkon herumturnen. Von oben beschimpft er Passanten, nennt Frauen „Nutten“, will „Kinder erschießen“ prahlt mit Rauschgift in seiner Wohnung. Handgreiflich allerdings wird er nie. Als eine junge Mutter trotzdem bei der Polizei anruft, wird sie deshalb beruhigt. Der Mann sei bekannt, „der ist krank, der tut aber nichts“.

„Entweder T. geht, oder wir ziehen alle aus“

Anfang der Jahres wird es den Hausbewohnern dennoch zu viel. „Entweder T. geht oder wir ziehen alle aus“, schreiben sie dem Vermieter. Der kündigt dem auffälligen Mieter, die Situation eskaliert. Nächtelang tobt T. in seiner Wohnung, droht alle in die Luft zu sprengen, schlägt Wände kaputt. Doch erst als er den Sicherungskasten kurz und klein haut und das ganze Haus ohne Strom ist, holt die Polizei ihn ab, schickt ihn in eine Psychiatrie. Daraus entlässt er sich gegen den ausdrücklichen Willen der Ärzte nach kurzer Zeit selbst.

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Wenig später, so die Anklage, zerstört er am Morgen des 31. März den Herd in seiner Küche und zündet das ausströmende Gas an. Eine 36-Jährige Krankenpflegerin, die sich – müde von der Nachtschicht - gerade schlafen gelegt hat, wird in der Wohnung darunter von herabfallenden Trümmern begraben und erstickt qualvoll. Waltraud P. überlebt nur, weil sie zum Zeitpunkt der Explosion gerade den Müll nach unten bringt. Von ihrer Wohnung bleibt nichts übrig. „Ich hätte keine Chance gehabt, wenn ich oben gewesen wäre.“ Das Haus Nummer 3 wird so schwer beschädigt, dass es abgerissen werden muss, die Häuser zur Linken und Rechten stehen noch, sind aber bis heute unbewohnbar. Der geschätzte Schaden liegt bei rund 1,6 Millionen Euro.

„Ich habe es euch doch gesagt, das habt ihr jetzt davon“

T. überlebt die Explosion, kann sich nur mit T-Shirt und Unterhose bekleidet ins Freie retten. Schwarz ist sein Gesicht, 65 Prozent seines Körpers sind verbrannt. „Wie ein Monster“, habe er ausgesehen, schildern Anwohner. Aber bevor er ins Koma fällt, reißt er auf der Liege zum Krankenwagen nach Zeugenaussagen triumphierend die Arme in die Höhe und brüllt. „Ich habe es euch doch gesagt, das habt ihr jetzt davon.“

Der Prozess wird fortgesetzt.