Ein Team der Feuerwehr gewährt Kollegen psychosoziale Unterstützung, wenngrenzwertige Erlebnisse oder Erfahrungen verarbeitet werden müssen.
Es sind nicht nur die großen Katas-trophen, das Zugunglück in Eschede, die Loveparade in Duisburg oder die Explosion einer Feuerwerksfabrik in Enschede, wo die Rettungskräfte das Allerschlimmste sehen und ertragen müssen. Es sind die täglichen Unglücke vor Ort, die erfolglose Rettung eines Menschen mit Herzinfarkt, das tote Kind nach einem Wohnungsbrand oder der Mann, der sich vor den Zug geworfen hat. In all diesen Fällen müssen die rund 70 Frauen und Männer der Feuer- und Rettungswache ein dickes Fell haben, sicherlich ein dickeres als der Normalbürger. Aber auch ihre Seele leidet nach ganz dramatischen Einsätzen. Ein Team von elf Kollegen lässt sich jetzt zu PSU-Helfern schulen, sie leisten psychosoziale Unterstützung für Einsatzkräfte.
Fachleute von Polizei und Feuerwehr, aber auch aus der Ärzteschaft bilden das Team aus, damit es nach oder schon während schwerer Einsätze Kollegen seelisch beistehen kann, die es gerade bitter benötigen. „Nach Eschede, Enschede und der Loveparade haben wir bemerkt, dass nicht nur die Bevölkerung, sondern auch die Einsatzkräfte stark mit dem Thema konfrontiert sind. Die sehen ja oftmals Dinge, die der Normalmensch nicht sieht“, sagt Teamleiter Jens Kanak.
Seit Mitte der 90er Jahre gebe es die Notfall-Seelsorger aus dem kirchlichen Bereich, die Bürger bei tödlichen Unfällen in der eigenen Familie beistehen. Danach habe man erkannt, dass man auch für Rettungskräfte eine psychologische Hilfestellung bieten müsse, in einem anderen System. Die Helfer sollen sich in der eigenen – seelischen – Not untereinander helfen können. Manchmal helfen sie auch außerhalb des eigenen Dunstkreises, wie kurz vor Weihnachten den Mitarbeitern des EUV-Stadtbetriebes. „Dort war ein Mitarbeiter der Müllabfuhr bei der Arbeit tödlich verletzt worden. Die Kollegen standen unter Schock“, berichtet Jens Kanak.
„Besonders fertig waren wir auch, als ein ehemaliger Kollege von einem Auto angefahren wurde und wir am Unfallort nichts mehr machen konnten, hilflos zusehen mussten, wie er starb“, erinnert sich Sascha Heckert. In früheren Zeiten habe man da gesagt: Trink’ einen Schnaps, und alles ist wieder gut. „Heute darf man Gefühle zeigen. Und es ist schön zu wissen, dass man jemanden hat, dem man vertrauen kann, mit dem man reden kann“, sagt Heckert.
Man gehe bewusster mit seelischen Problemen um, ergänzt Holk Hering: „Die Kollegen achten besser aufeinander, wenn jemand nach einem schweren Unfall komisch reagiert, dann nehmen wir ihn zur Seite.“ „Man weiß, dass man nicht alleine ist“, erläutert Dieter Gerth.
Daniel Meyer berichtet von einem Suizid-Fall in Deininghausen, wo ein Mann über 300 Meter von einem Zug mitgeschleift wurde. Dirk Hense erzählt von Rettern, die einen Toten aus der Wohnung bergen mussten, der schon seit Wochen dort lag. Einsätze, wo die Frauen und Männer von der Rettungswache nichts mehr ausrichten können, wo alles zu spät ist und andere Profis an der Reihe sind. „Da geht man schnell weg“, sagt Hense.
Einsatznachbesprechung
Seelisch bewältigt wurden ganz schlimme Einsätze auch früher schon in der Einsatznachbesprechung. Nur nicht so professionell wie jetzt nach der Schulung. Ein Zeugnis oder Zertifikat gibt es dafür allerdings nicht: „Wenn sich der Kollege nach seinen Problemen am Ende wieder gut fühlt, ist das Zertifikat genug“, erklärt Jens Kanak.
Der Verjüngungsprozess des Einsatzteams habe auch einen Bewusstseinsprozess bewirkt, die meisten Kollegen seien offener geworden. Früher hätten die Einsatzkräfte gesagt, ,So’n Scheiß brauchen wir nicht’. So bald man das Wort Psychologe in den Mund nahm, ist man doch für bekloppt gehalten worden“, sagt Kanak ganz deutlich.
Diese Zeiten seien glücklicher Weise vorbei. Und Sascha Heckert ergänzt: „Wenn einer weint, dann weint er eben.“