In dem großen Rollstuhl wirkt das kleine Mädchen noch zierlicher. Auf dem Krankenhausflur hat sich Manar eine Ecke gesucht, von der aus sie die Station beobachten kann. Als sie Dr. Eberhard Volckmann erblickt, strahlt sie und ruft ihm schon von weitem ein „Hallo“ zu. Ihre großen, braunen Augen leuchten. „Sie ist ein sehr aufgewecktes Kind“, sagt der Oberarzt der Unfallchirurgie im St. Rochus-Hospital. Seit gut einer Woche liegt die Sechsjährige aus dem Jemen auf der Station 3b, am Montag wurde sie von Volckmann und seinem Kollegen Dr. Jörg Schilauske am Oberschenkel operiert.

Manar wird lange hier bleiben

Seit 17 Jahren arbeitet das Krankenhaus mit dem Hammer Forum zusammen, einem Verein, der seit 1991 Kindern aus Kriegsgebieten medizinisch hilft. Bislang wurden in Castrop-Rauxel „rund 30 Kinder aus Afghanistan, Afrika oder dem Jemen kostenlos operiert und behandelt“, schätzt Eberhard Volckmann. In diesem Jahr waren es sogar drei Kinder, die im Rochus-Hospital operiert wurden. Die kleine Manar kam nun mit dem Bielefelder Arzt Dr. Norbert Jorch nach NRW, der schon seit Jahren im Auftrag des Forums in Krisengebiete fährt, dort Kinder behandelt und auch mit nach Deutschland nimmt. Manar hatte sich vor etwa einem Jahr bei einem Verkehrsunfall den Oberschenkel gebrochen. „Daraufhin wurde sie zunächst in ihrer Heimat operiert. Allerdings sind die Knochen damals falsch zusammengewachsen und es kam zu einer Entzündung“, erklärt der Oberarzt. Bei der Operation am Montag wurde vom entzündeten Knochen etwas weggenommen, es wurden Antibiotika-Ketten hineingelegt und das Bein mit einem externen Fixateur stabilisiert.

Schon einen Tag später war die Sechsjährige wieder gut drauf, hatte für jeden, der ins Zimmer kam, ein Lächeln. „Hallo“ und „Tschüss“ sind ihre ersten deutschen Wörter. Auch Stationsschwester Ulrike Stockamp hat die Kleine ins Herz geschlossen. Sie ist seit 20 Jahren auf der Station, hat schon viele Kinder kommen und gehen sehen. Einige hat sie sogar zum Weihnachtsfest mit nach Hause genommen. „Das ist mehr als nur Pflege, da ist ganz viel Herz dabei“, erzählt Ulrike Stockamp, die selbst Mutter und Oma ist. Da fällt der Abschied nicht leicht, wenn die kleinen Patienten wieder in ihre Heimat fliegen.

Manar wird mindestens noch ein halbes Jahr in Castrop-Rauxel bleiben müssen. „Wir werden in vier Wochen schauen, ob die Entzündung verschwunden ist“, sagt Eberhard Volckmann. Fest steht aber schon, dass noch eine weitere Operation ansteht. Und das Bein soll anschließend verlängert werden, damit es wieder genau so lang ist, wie das andere. Jeden Tag einen Millimeter. Während dieser Zeit wird Manar voraussichtlich teilweise in einer Pflegefamilie untergebracht sein. „Allerdings muss man schauen, dass das Verhältnis nicht zu eng wird, damit der Abschied nicht so schwer fällt“, sagt Volckmann. Auch mit ihren Eltern soll Manar deshalb in der ersten Zeit in Deutschland so wenig Kontakt wie möglich haben.

Verständigen kann sie sich dennoch. Einige Mitarbeiter im St. Rochus-Hospital sprechen arabisch und haben auch schon mit den Eltern im Jemen telefoniert, um diese über den aktuellen Gesundheitszustand der Tochter zu informieren.

Von den Schwestern, Ärzten und teilweise von Patienten wird sie liebevoll umsorgt und beschenkt, aber die Familie ersetzen können sie natürlich nicht.