Castrop-Rauxel. . Geburtshelferinnen wie Ulrike Michel sehen sich immer öfter gezwungen, ihren Beruf aus finanziellen Gründen aufzugeben. Die Ickernerin hält noch durch – doch wie lange sie noch, kann sie nicht absehen.

Eigentlich ist sie es längst leid, über dieses Thema zu sprechen. Allein, die Hebamme Ulrike Michel kommt nicht daran vorbei, denn jeden Tag wird sie aufs Neue vor die Frage gestellt: Kann ich meinen Beruf noch ausüben, ohne (allzu große) wirtschaftliche Verluste einzufahren? Denn in den letzten Jahren ist die Jahresprämie für die Berufshaftpflichtversicherung der Geburtshelferinnen exorbitant angehoben worden. Rund 4200 Euro im Jahr muss die freiberufliche Hebamme inzwischen für ihre Berufshaftpflicht zahlen. „Als ich vor 16 Jahren anfing, lag die Prämie bei 156 D-Mark“, sagt Ulrike Michel kopfschüttelnd. „Um allein die Prämie reinzubekommen, muss ich 15 Geburten machen.“

Jetzt hatte sich ein erster Hoffnungsschimmer abgezeichnet: Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen und der Verband der Hebammen haben sich nach langwierigen Verhandlungen nun auf Ausgleichszahlungen geeinigt. Demnach werden die Kosten für die steigenden Versicherungsprämien von den Krankenkassen übernommen. Ein Durchbruch? Da kann Ulrike Michel nur müde lächeln und fragt: „Was ist mit unseren Honoraren? Der Verdienst bleibt vorerst der gleiche. Ich arbeite zurzeit für 7,50 Euro pro Stunde“, sagt die Geburtshelferin, „da bleibt nichts übrig.“

Die Diskussion um eine Besserstellung der Hebammen werde also weitergehen, nun soll eine Schiedsstelle eingeschaltet werden. „Das dauert noch mal drei Monate“, befürchtet Ulrike Michel, „im nächsten halben Jahr tut sich also wieder nichts. Und das geht jetzt schon seit 2010 so.“ Sie kennt Hebammen, die ihren Beruf aus finanziellen Gründen in Scharen aufgegeben haben, von 30 pro Monat spricht sie. Auch Ulrike Michel ist nicht frei von dem Gedanken, ihr Hebammen-Dasein an den Nagel zu hängen – obwohl sie mit ganzem Herzen daran hängt. Inzwischen hat sie weitere Angebote hinzu genommen, leistet etwa Frauen, die eine traumatische Geburt durchlebt haben, Hilfe und kümmert sich über das normale Maß hinaus um junge Mütter, bietet diesen Vormittage zum Auftanken an. „Schade, dass wir das mittlerweile machen müssen und uns nicht ausschließlich auf unsere Hauptaufgabe konzentrieren können“, sagt die 42-Jährige.

Mürbe macht sie diese mangelnde Perspektive für ihren Berufsstand, der, wenn sich nichts ändere, vom Aussterben bedroht sei: „Es fehlt auch von Seiten der Ärzte und der Politik an Wertschätzung für uns Hebammen.“ Denn, so betont Ulrike Michel, immerhin übe sie einen ganz besonderen Beruf aus – und damit meint sie nicht die 12-Stunden-Schichten, die eine Geburt gerne braucht oder den Dauer-Rufdienst, über den sie jederzeit erreichbar ist. Doch ihrem Berufsstand würden immer neue Steine in den Weg gelegt: „Man kann die Regeln nicht mehr bedienen.“ Als Beleghebamme in Krankenhäusern zu arbeiten, hat die Ickernerin längst aufgegeben. „Das lohnt sich nicht mehr“, sagt Ulrike Michel.

Stattdessen hat sie sich auf Hausgeburten spezialisiert, dafür liegen die Sätze etwas höher. Ihr Kolleginnenkreis schrumpft zusehends, sie selber hält noch durch, sagt Ulrike Michel. Doch wie lange noch? Sie zuckt mit den Schultern. Eine Mutter hat bereits wegen einer Geburt im November bei ihr angefragt. Der musste sie antworten: „Ob ich dann noch Geburtshilfe leiste, weiß ich nicht.“