Castrop-Rauxel. . In der Nachbarstadt Dortmund startet nach den Sommerferien die erste Sekundarschule. Zuvor verlief dort der Entwicklungsprozess weitest gehend ruhig. Ein Blick über die Grenze der Europastadt hinweg.

Es hätte zunächst einen klaren Schnitt geben müssen, eine politische Entscheidung, gefolgt von der Erarbeitung eines Sekundarschulkonzeptes und der intensiven Aufklärung der Eltern. Den Prozess umgekehrt anzustoßen, sei eher kontraproduktiv gewesen. „In Castrop-Rauxel“, sagt Christian Pätzold, „ist die Situation um die Gründung einer Sekundarschule nun völlig aufgeheizt und verfahren.“

Pätzold ist selbst Lehrer und bestens im Stoff: Im Dortmunder Stadtteil Westerfilde leitet der Castrop-Rauxeler die Nikolaus-Kopernikus-Realschule, die mit der benachbarten Hauptschule zur Sekundarschule verschmelzen wird. Der Prozess hat bereits vor etwas mehr als einem Jahr begonnen, nachdem der Rat der Stadt zuvor seine Entscheidung getroffen hatte: Real- und Hauptschule sollten Sekundarschule werden. „Dann waren wir dran“, sagt Pätzold.

Nach den Osterferien 2011 – noch zu Zeiten des Gemeinschaftsschulmodells – kamen jeweils vier Vertreter der beiden Kollegien zusammen. Zwei Moderatoren begleiteten den Gesprächsprozess, was die Beteiligten als sehr hilfreich empfanden. „Sie haben uns sehr unterstützt“, betont die Konrektorin der Hauptschule, Marita Grotemeyer. Sie wirkte ebenfalls maßgeblich an der Erarbeitung des Konzepts mitwirkte. „Es war dann aber leider so, dass wir aus den Sommerferien zurückkamen und das Modell auf einmal Sekundarschule hieß und es andere Bedingungen gab“, berichtet sie von einer unerwarteten Veränderung, die sie aber nicht hindern sollte. Die Lehrer kümmerten sich weiterhin um die Entwicklung eines Konzepts für die neue Schulform. „Im Mai“, so Grotemeyer, „haben wir dann alle eingeladen: Grundschuleltern, Mitglieder des Schulausschusses und auch Vertreter der Stadteltern, einer Arbeitsgemeinschaft.“ Jene Zusammenkunft habe einer Zukunftswerkstatt geähnelt, lächelt Grotemeyer. Die Lehrer stellten das Sekundarschulkonzept vor, die Eltern äußerten ihre Wünsche und Vorstellungen. Die Zustimmung sei relativ groß gewesen, natürlich habe es auch kritische Stimmen – nicht zuletzt wegen des Richtwertes für die Klassengrößen – gegeben, nicht aber den lauten Aufschrei, beschreibt Pätzold das Klima während des Entwicklungsprozesses.

„Einige der Eltern sagten: Ehe es gar keine Schule mehr im Stadtteil gibt, dann doch lieber eine neue Schulform“, so Pätzold. Marita Grotemeyer ergänzt: „Wir hatten sogar den Fall, dass Hauptschuleltern uns fragten, ob sie ihre Kinder dann künftig auf die Sekundarschule schicken können, weil sie dort eine noch bessere Förderung erfahren.“ Andere wiederum taten sich schwer, sich vom dreigliedrigen Schulsystem zu lösen.

„Mir ist der Gedanke auch nicht leicht gefallen“, erklärt Christian Pätzold. Die Realschule aufgeben – damit konnte er sich zunächst nicht recht anfreunden. Doch dann habe er sich mit dem neuen Modell auseinander gesetzt. „Ich habe über den eigenen Tellerrand hinaus geschaut und erkannt, dass das dreigliedrige Schulsystem in Zukunft nicht mehr funktionieren kann.“ Pätzold weiter: „Erst bluten die Hauptschulen aus und danach die Realschulen.“

Zudem, fügt Klaus-Dieter Bahn hinzu, sei es gar nicht mehr zeitgemäß, die Kinder in drei Schubladen zu stecken. Bahn ist Leiter der Westerfilder Hauptschule und genau wie Grotemeyer und Pätzold überzeugt vom Modell der Sekundarschule. Sie ermögliche ganz klar eine bessere Förderung. „Aus dieser Überzeugung heraus werden wir Sekundarschule, denn eigentlich sind unsere Anmeldezahlen sehr gut“, betont Grotemeyer. Es gehe darum, sich für die Zukunft aufzustellen. „Wir müssen etwas tun, zumal wir von der Politik auf den Weg gebracht wurden.“ So schmerzhaft der Prozess auch gewesen sei – der Rat habe eine Entscheidung getroffen, was gut gewesen sei. Pätzold: „Wir Schulleiter waren damit nicht in der Rolle, unsere Schulform rechtfertigen oder verteidigen zu müssen.“ In Castrop-Rauxel hingegen habe sich eine große Konkurrenz aufgebaut.

„Ohne eine politische Entscheidung kann es aber doch auch kein Konzept und somit keine umfassende Aufklärung der Eltern geben“, argumentiert Marita Grotemeyer ganz ähnlich. Nichts sei konkret. Das sei keine ideale Voraussetzung, um die Eltern mitzunehmen. „Grundsätzlich ist es ja gut, die Bürger von Anfang an einzubinden“, sagt Pätzold. „Doch nun hat man die Situation, dass alle mitdiskutieren und die Schulen auf sich gestellt sind.“ Da sei es ganz schwierig, ein neues Modell aufzubauen. Dennoch glaubt er, dass es künftig zwei Sekundarschulen in Castrop geben werde – allen Widerständen zum Trotze. „Ich kann gut nachvollziehen, dass es bei der FNR Befremdlichkeit auslöst, weil sie in Frage gestellt wird, ist sie doch sattelfest und genießt einen guten Ruf.“ Auf der anderen Seite aber sei sie Teil des dreigliedrigen Systems – und da sei nun mal die Hauptschule nun weggebrochen. Somit werde es wackelig für die FNR. „Ich traue der Nansen-Realschule viel zu, aber sie kann keine Schule für alle sein.“