Sex mit einer Gefangenen gegen Kosmetika, Bier und Drogen. Das wirft die Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht Essen einem 55-Jährigen JVA-Beamten vor, der im Gelsenkirchener Gefängnis gearbeitet hat.
Essen. Wenn die Vorwürfe stimmen, dürfte der Castrop-Rauxeler seinen Job endgültig los sein. Vor dem Landgericht Essen wirft die Staatsanwaltschaft dem Beamten vor, seine Position im Gelsenkirchener Gefängnis ausgenutzt und mit einer Gefangenen sexuell verkehrt zu haben. Vor Gericht wies der 55-Jährige die Anschuldigungen zurück.
Doch die attraktive Wuppertalerin, die dem Klischee einer Drogensüchtigen optisch nicht entspricht, bleibt dabei: Als sie im Januar 2009 wegen Beschaffungskriminalität in die Justizvollzugsanstalt (JVA) kam, hätte sich schnell ein persönliches Verhältnis entwickelt: „Ich lernte ihn als lockeren Beamten kennen. Er sagte, Rothaarige sind mein Beuteschema.“ Nach kurzer Zeit sei es zum ersten Kuss gekommen, ab Mitte Februar, als sie eine Einzelzelle bezog, auch zum Sex. 19 Fälle hat die Staatsanwaltschaft als „sexuellen Missbrauch von Gefangenen“ angeklagt.
Kosmetika, Medikamente und Bier
Von wem die Initiative ausgegangen sei, will Richterin Jutta Wendrich-Rosch wissen. „Von beiden“, sagt die Zeugin, „da war kein Unterschied“. Sie hätte sich auch Vergünstigungen versprochen, räumt sie freimütig ein. Und die bekam sie laut Anklage: Kosmetika, Medikamente, Bier und einmal auch einen Bobble Heroin. Irgendwann wollte sie nicht mehr mit dem Beamten schlafen. Das hätte er akzeptiert, sie aber weiter mit den Geschenken beliefert.
Selbst eine Geldstrafe von ihr soll er zum Teil bezahlt haben. Sie hatte noch 200 Euro offen und hätte deshalb länger im Gefängnis sitzen müssen. Das passte ihr nicht, weil sie unbedingt aus dem Knast in die Therapie gehen wollte. Da hätte er ihr geholfen und bezahlt. Diese Überweisung ist der einzige Punkt, den er einräumt. Aus reiner Hilfsbereitschaft will er sich dazu entschlossen haben.
Erst spät angezeigt
Langfristig brachte ihm die Therapie der 30-Jährigen Nachteile. Als sie 2011 eine Therapie erfolgreich abschloss, auf Drogen verzichtete und Arbeit annahm, kam ihr die Erkenntnis, dass das Verhalten des Beamten nicht in Ordnung gewesen sei. So erklärte sie schon bei der Anzeigenerstattung, warum sie erst eineinhalb Jahre nach der Tat zur Polizei ging.
Für den Beamten kann es eng werden. Da ist die Überweisung, da ist aber auch das Ergebnis der Hausdurchsuchung bei dem verheirateten Mann in Castrop-Rauxel. Dort fand die Polizei einen Umschlag mit 27 Tabletten, darunter rezeptpflichtige Mittel wie das bei Drogensüchtigen heiß begehrte Diazepam. Der 55-Jährige erklärt den Fund: Wenn bei Zellendurchsuchungen Tabletten gefunden wurden, will er diese gesammelt und erst dann beim Sanitäter zur Vernichtung abgegeben haben: „Ich renne ja nicht für jede Tablette los.“ Dass das gegen die Dienstvorschriften verstieß, scheint ihn nicht zu kümmern.
Beim Sex in der Zelle sei das Entdeckungsrisiko doch viel zu groß, widersprach er der Anklage auch in diesem Punkt. Die 30-Jährige sieht das Problem nicht: „Frau Richterin, so ein Quickie von fünf Minuten, da kräht doch kein Hahn nach.“