Castrop-Rauxel. . Die örtlichen Politiker urteilen über das Fehlverhalten von Bundespräsident Christian Wulff und seinen Umgang damit.

Kann er im Amt bleiben oder ist seine Glaubwürdigkeit verspielt? Bundespräsident Christian Wulff gerät immer stärker unter Druck, nachdem neben der Affäre um seinen Privatkredit nun auch bekannt wurde, dass er die Berichterstattung darüber in der Bild-Zeitung verhindern wollte. In der Europastadt wird kontrovers diskutiert, ob der Bundespräsident zurücktreten sollte.

„Er kann nicht mehr im Amt bleiben“, formuliert die Landtagsabgeordnete Eva Steininger-Bludau (SPD) klipp und klar und fügt hinzu: „In einer Demokratie kann es nicht sein, dass ein Bundespräsident sein Amt ausnutzt und einen Chefredakteur unter Druck setzt.“

Grenze überschritten

Sein Verhalten schade diesem herausragenden Amt und sei eines Bundespräsidenten nicht würdig, so Steininger-Bludau, die der Bundesversammlung angehörte, als diese im Juni 2010 Christian Wulff zum Bundespräsidenten wählte. Dabei war auch der Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe (SPD) . Auch er sieht eine Grenze überschritten. „Wulffs Verhalten ist unverzeihlich für den ersten Mann des Staates, der Vorbild für alle sein sollte“, sagt Schwabe. Der Bundespräsident habe die Gelegenheit verpasst, die Dinge gerade zu rücken – in der Öffentlichkeit hätte dies geschehen müssen, so der Abgeordnete, nicht in Telefonaten. „Wulff hat sich in eine Sackgasse manövriert“, sagt Schwabe und sieht den Bundespräsidenten nun in der Pflicht, die Konsequenzen aus seinem Verhalten zu ziehen.

Eine letzte Möglichkeit, sich im Amt zu halten, sieht Rajko Kravanja, Vorsitzender der SPD Castrop-Rauxel, für Christian Wulff, wenn dieser „innerhalb kürzester Zeit zu 100 Prozent Transparenz schafft und sich entschuldigt.“ Auch Kravanja merkt an: „Sein Umgang mit dieser Affäre ist des Amtes nicht würdig.“

Um die Würde des Amtes nicht noch mehr zu beschädigen, fordert Michael Schneider, Pressesprecher des CDU-Stadtverbandes, als oberste Amtspflicht des Bundespräsidenten derzeit Offenheit. „Menschen machen Fehler – das ist normal“, so Schneider, doch man müsse auch dazu stehen und sie bereinigen.

Ein großes Glaubwürdigkeitsproblem attestiert Dr. Bert Wagener, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, dem Bundespräsidenten. „Ein Staatsoberhaupt sollte aufrichtig, ehrlich und auch ein Stück weit selbstkritisch sein“, fordert der Grünen-Chef und betont: „In so einem Amt muss man doppelt vorsichtig sein.“ Er sei bestürzt darüber, so Wagener, dass Wulff nun versuche, sein Verhalten schönzureden. Das lasse die nötige Sensibilität vermissen, meint Wagener, der sagt: „Wenn er die nicht hat, ist er nicht der richtige Mann für das Amt.“

Eine Rücktrittsforderung will FDP-Fraktionsvorsitzende Anne Krüger zum jetzigen Zeitpunkt nicht formulieren, verlangt aber vom Bundespräsidenten, zu seiner Schuld zu stehen. „Bei allen Emotionen, die da im Spiel waren, muss man trotzdem besonnen reagieren“, merkt die FDP-Vorsitzende an und sagt: „Es ist menschlich, aus der Haut zu fahren, doch in diesem Amt muss man drei Mal nachdenken, bevor man das auslebt“, so Anne Krüger. Für sie hat die Vorbildfunktion des Bundespräsidenten durch dessen Fehltritte ganz klar Risse davon getragen.

Ähnlich fällt die Beurteilung von Ratsmitglied Ingo Boxhammer (Die Linke) aus. „Zu versuchen, die Presse unter Druck zu setzen – das macht man einfach nicht und das hätte Wulff wissen müssen“, so der Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke im Kreis Recklinghausen. „Ich weiß nicht, wie er da wieder rauskommen will“, sagt Boxhammer, wenngleich er einen Rücktritt des Bundespräsidenten zurzeit noch nicht sieht.

Flugaffäre: Wulff forderte Raus Rücktritt

Das Fehlverhalten von Christian Wulff erinnert an die WestLB-Flugaffäre, in die Johannes Rau in den 1990er-Jahren verwickelt war und die in seiner Anfangszeit als Bundespräsident enthüllt wurde. Damals zählte Christian Wulff zu Raus schärfsten Kritikern und forderte dessen Rücktritt.