Klaus-Dieter Tesch wohnt an der Danziger Straße. Er ist Emscher-Ureinwohner und engagiert sich beim Verein Menschen an der Emscher. Ein Bildband stellt ihn und 68 weitere Menschen vor, die den Wandel in der Emscher-Region durch privates und berufliches Tun im Kleinen wie im Großen mitgestalten. Mit dem 59-Jährigen sprach Gerhard Römhild über gemalte Bilder und die spannende Entwicklung dieser Region.

Herr Tesch, ist das Porträt ein Bild, mit dem Sie leben können?

Tesch: Kann ich, habe ja dafür einige Stunden Modell gesessen, und Johann Hinger als Künstler hat es mir sehr leicht gemacht. So konnte ich auf Augenhöhe meine Erlebnisse mit der Emscher ‘rüberbringen. Es war eine wirklich sehr entspannte Atmosphäre und überhaupt nicht anstrengend während der zwei Termine. Ja, und als er mir das fertige Bild zeigte, muss ich sagen, dass ich damit sehr zufrieden war. Ich war schon fast erstaunt, dass es so gut geklappt hat. In der Rückschau kann ich sagen, dass durchaus so etwas wie ein vertrautes Miteinander entstanden war.

Sie hatten die Wahl: expressionistisch oder naturalistisch. Was gab den Ausschlag für Ihre Entscheidung?

Nun, ich bin eher für das Natürliche, also für das, was man sieht. Aber jetzt habe ich ja den Bildband und sehe auch die expressionistischen Bilder. Sie sind alle sehr gut und verfälschen nicht die Gesichter, so dass man sie nicht mehr erkennt. Da denkt keiner: Was ist das denn für ein Firlefanz? Trotzdem, ich stehe eher für das Direkte, das Natürliche, das Wiedererkennen und nicht für das noch Suchen müssen. Habe mich also richtig entschieden.

Wie kam es eigentlich zum Kontakt mit Johann Hinger und Karin Düchs?

Frau Düchs hatte sich bei mir mit ihrer Buchidee von Geschichten und Menschen an der Emscher gemeldet. Sie wollte etwas über den Verein und mich als Person erfahren. Solchen Ideen mag ich mich nicht verschließen, findet dadurch doch unser Verein auch ein bisschen Beachtung. Es waren übrigens recht interessante Gespräche.

Wie haben Sie die Begegnung mit Texterin und Maler erlebt?

Frau Düchs hat sehr einfühlsam gefragt und an vielen Stellen hinterfragt. Sie saß bei mir auf dem Sofa, es war eine vertraute Umgebung, nichts Außergewöhnliches.

Die wenigsten Menschen werden in ihrem Leben gemalt. Was war das für eine Situation?

Das war nun wirklich außergewöhnlich intensiv. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, mich malen zu lassen. Es ist natürlich anders als beim Fotografieren, es dauert eben zwangsläufig einige Zeit und geht nicht ruckzuck.

Malen und gemalt werden ist eine äußerst intime Angelegenheit. Sprang der berühmte Funke über?

Ich meine schon. Das lag auch daran, dass Herr Hinger sich sehr für mich interessiert hat und im Gespräch immer wieder nachhakte. Es war übrigens nie ein einseitiges Gespräch. Er hat auch eine ganze Menge von sich selbst erzählt, über seine Kunst, was er mit ihr ausdrücken möchte. Das waren für mich völlig neue Erkenntnisse. Diese Infos bekommt man nur in einer solchen Situation. Das waren schon sehr persönliche Stunden, die wir da verbracht haben. Es gab keine Mauer, keine Hemmschwelle. Aber trotzdem war ich natürlich immer gespannt darauf, wie es ausgeht.

Was könnte das Buch bei Lesern bewirken?

Nun, das Buch zeigt auch ein Porträt des ehemaligen Städtebauministers Christoph Zöpel. Der hat für uns als Verein alles in unserem Sinne ins Rollen gebracht. Bevor die IBA-Emscherpark initiiert wurde, hatten wir von der Idee gehört und haben ihm einen Projektentwurf zum Herdicksbach zukommen lassen. Damit waren wir drin im Projekt. Im Buch finden sich vom großen Macher bis zum Ede-Normalverbraucher allesamt Leute, die sich in einem breiten Spektrum in ihren Quartieren engagieren. Das ist das Spannende an dem Buch, das hier das ganze Spektrum abgebildet wird.

Wie war es, an der Kloake aufzuwachsen?

Als Kind und Jugendlicher war es ein Meideraum. Vater sagte immer: Ich will dich nie hinter dem Zaun sehen. Aber, das haben wir nie durchgehalten. Es war ja auch ein Abenteuerraum. Ich kenne die Emscher noch mit schwabbeligem Rand. Das war das einzig nennenswerte Gefälle hier, einen Rodelberg gab es nicht. Man musste eben nur früh genug abspringen (lacht). Meine Tochter ist übrigens als Siebenjährige einmal mit den Füßen drin gewesen. Trotz Einsatz aller möglichen Desinfektionsmittel - es stank immer noch. Aber es hat sich auch etwas geändert. Vor zehn Jahren habe ich sogar erstmals Enten auf der Emscher gesehen. Das hatte ich vorher noch nie erlebt. Es war das erste deutliche Zeichen, dass etwas an der Emscher passiert. Das waren die Auswirkungen des neuen Klärwerks Dortmund-Deusen.

Sie sind nie so richtig von hier weggezogen. Was stiftet an der Emscher Identität?

Als Kind hatten wir den Kindergarten direkt vor der Tür. Es gab nicht wie heute das Einzelkind, mehrere Kinder waren üblich. Ruckzuck war so die Fußballmannschaft zusammen. Es gab Freiraum und Gärten ringsherum. Zudem machte ich ortsnah eine Ausbildung als Elektriker auf den Chemischen Werken Victor. Es gab eine Perspektive vor Ort, alles lag vor der Tür. Außerdem habe ich das Haus der Eltern übernommen. So etwas schweißt eben zusammen, auch wenn mittlerweile der Struktur- und Demografiewandel greift und Häuser in der Siedlung hier leer stehen.

Mehrere Jahrzehnte dauert mittlerweile ihr Kampf für die Emscher. Haben Sie mit der Verwandlung des Hinterhofs in einen Vorgarten gewonnen?

Ich glaube ja, wenn es denn so realisiert wird. Aber wir haben wohl noch zehn Jahre vor der Brust, bis an der Emscher optisch etwas zu sehen ist. Ringsherum gibt’s aber schon Veränderungen wie beispielsweise den Deininghauser Bach. Da glauben auch viele nicht, dass das einmal ein betongefasstes Abwassergerinne war. Bei der Emscher gibt’s übrigens schon umgebaute Abschnitte ab Phönix-See in Richtung Quelle. Hier kann man quasi spüren, was uns noch erwartet. Dadurch wird die gesamte Region gewinnen, eine neue Qualität im Wohnumfeld entstehen. Nebenbei, die Technik, die beim Umbau eingesetzt wird, ist einmalig, ist High-Tech und könnte ein Exportschlager werden. Ich habe früher eh nie verstanden, dass wir zum Mond fliegen und hier noch ein Abwassersystem haben, dass dem Neandertaler gut zu Gesicht stehen würde.