Castrop-Rauxel. .
„Löwenzahn“-Inhaber Ludger Vollmer macht ‘ne Flasche auf. Seit 30 Jahren betreibt er in der Europastadt einen Bioladen.
Er ist der anerkannte Mister Bio der Europastadt, startete vor genau 30 Jahren mit einem kleinen Laden an der Obere Münsterstraße und bietet nach zwei weiteren Umzügen innerhalb der Altstadt in seinem „Löwenzahn“-Markt am Busbahnhof ein Bio-Vollsortiment an. Mit Ludger Vollmer sprach Gerhard Römhild.
Wie kam’s zur Löwenzahngründung?
Vollmer: Da gibt’s zwei Gründe. Ich habe mich schon damals im weitesten Sinne im Umweltbereich aufgehalten. Es gab die Demonstrationen gegen Atomkraft. Ja, und dann komme ich auch noch aus einem Bäckerhaushalt. Mein Bruder hatte vor drei Jahrzehnten bereits mit Biobroten experimentiert. Das war schon ein Umfeld, in dem diese Gedanken alle existierten. Und die Initialzündung war die Geburt meines Sohnes, wo ich sensibilisiert wurde für die Frage, was man so einem kleinen Kerlchen an Essen zumuten kann.
Gab es keine Skepsis vor dem Schritt ins Bio-Abenteuer?
Nein, eigentlich nicht. Ich wartete auf einen Studienplatz für Gartenbau und war Hausmann. Eigentlich sollte es zeitlich befristet sein, hat sich aber dann als tragfähig bewiesen.
Ihre Erinnerung an die ersten Jahre?
Es war eine richtige Anlaufstelle, für unsere Eltern-Kind-Gruppe, die Krabbelgruppe. Es war mehr Kommunikation, Treffpunkt, der Verkauf stand gar nicht im Vordergrund. Wir haben auch Kartenverkauf für alle möglichen Demos gemacht. Alles war viel tagespolitischer, ja ideologischer, als jetzt hier. Das war die Zeit eben, Brokdorf, Grohnde, die Friedensbewegung. Wir hatten über zehn Busse, das sind 500 Leute, die wir samstags zur Demo gegen AKWs gefahren haben. Das schafft doch heute niemand mehr.
Gab es auch harte Jahre?
Ja, klar, irgendwann mal musste der Laden sich ja auch tragen. Und wenn er es nicht tut, dann stellt sich sofort die existenzielle Frage: Steige ich aus oder nicht.
Wie gingen Sie mit dieser Situation um?
Man muss sparsam leben, ganz schön fleißig sein, kann keine Leute einstellen, die man nicht bezahlen kann. Auf die Stundenzahl habe ich übrigens nie geguckt. Ich war Mitglied einer Genossenschaft, da musste ich jeden Morgen um vier Uhr nach Essen fahren, um Ware zu besorgen, dann wurde Brot geholt, morgens und mittags. Und abends habe ich zehn Jahre lang Kochkurse an der VHS gegeben.
Hat sich das Kundenprofil in den Jahren geändert?
Es ist ein breites Spektrum geworden. Da kommen Kunden in den Bioladen, die auch zu Aldi fahren und Pommes essen. Die gehen in die Oper, gucken sich aber auch den letzten Dreck im Fernsehen an. Die Zuordnung, es gibt einen bestimmten Körnerfressertyp, oder einen bestimmten Konservativen oder Linken, das funktioniert nicht mehr. Es verschwimmt alles, überschneidet sich. Mit Sicherheit ist aber die junge Familie mit kleinen Kindern dabei. Es sind konsumbewusste und doch genussfreudige Leute.
Bio gibt’s auch beim Discounter. Sauer?
Nee! Natürlich müssen wir unseren Fachgeschäftscharakter weiter herausstreichen. Zudem unterscheiden wir uns vom Bio-Discount. Wir bieten den Kunden Bustouren zu Erzeugerbetrieben an und informieren vielfältig. Außerdem gibt es Unterschiede zwischen der EU-Bio-Verordnung und den anerkannten Verbänden Bioland oder Demeter, mit denen wir arbeiten. Die EU-Verordnung ist für uns die untere Ebene. Wir sind einfach die Besseren.
Wonach greift der CastropRauxeler?
In der Frische liegt die Würze. Trotz großen Trockensortiments gehen zu über 50 Prozent Gemüse, Obst, Käse, Fleisch, Brot. Das ist gefragt.
Ist der höhere Preis gerechtfertigt?
An dem Thema habe ich Spaß. Es gilt: Wir sind nicht zu teuer, die anderen sind zu billig. Die sind deswegen so billig, weil sie so schlecht sind. Es geht da nur noch um die Masse. Wenn die Gurke 29 Cent kostet, dann verliert man den Respekt vor Lebensmitteln, vor der Nahrung.
Wenn Ludger Vollmer keinen Bioladen aufgemacht hätte, was wäre aus ihm geworden?
(lacht) Fußballer bestimmt nicht. Aber ich weiß es ehrlich gesagt nicht, vielleicht hätte ich studiert?
Auch Sie werden älter. Ist die Nachfolge geklärt?
Ein Thema, was lange wachsen muss. Da geht’s um tausend Aspekte, Menschliches, Finanzielles, Soziales. Aber ich denke, ich habe noch einen kleinen zeitlichen Spielraum.
Der „Löwenzahn“ 2025 wird...?
...sich weiter entwickeln, unbedingt. Neue Gebiete, neue Vertriebswege, neue Ansätze stehen dann an. Da zu bleiben wo man ist, ist nie gut. Man muss immer das Näschen nach vorne halten. Ich bleibe übrigens gerne dabei. Das ganze Bio-Umfeld ist eine sehr lebensbejahende Szene, sie gibt positive Anreize. Ich bin auf keinen Fall rentenorientiert.
„Löwenzahn“-Inhaber Ludger Vollmer ist ein ganz alter Hase im Bio-Geschäft. Derzeit lässt er in seiner wenigen Freizeit die letzten drei Jahrzehnte Revue passieren, arbeitet er doch an einer entsprechenden Foto- und Textdokumentation von 1981 bis heute.
Der 56-Jährige ist gebürtiger Suderwicher, hat aber in „zarten Jahren ‘rübergemacht“ nach Ickern, dann Rauxel und schließlich Castrop. Vollmer ist Vater eines Sohnes, der genau ein Jahr älter ist als sein „Löwenzahn“-Laden.
Das 30-jährige Bestehen wird am Freitag, 14. Oktober, im Marcel-Callo-Haus groß gefeiert. Die Karten sind ruckzuck ausverkauft gewesen. Gäste sind u.a. Bürgermeister Johannes Beisenherz und der Grünen-MdB und Biobauer Friedrich Ostendorff. Vollmer: „Lokaler Gesprächsstoff ist genug da. Wir werden die zunehmende Filialisierung in der Altstadt auf die Agenda setzen.“