Castrop-Rauxel. Freunde von Schallplatten und Schellack-Schätzchen treffen bei Trödel Wibberg auf eine Art Ali-Baba-Staun-Fundhöhle.

„Meine drei Kinder sagen immer, Mensch, du bist ja eine richtig verrückte Mutter, bei den Sachen die du so machst.“ Petra Knoop klingt nicht beleidigt, wenn sie die grobe Einschätzung der eigenen Brut nennt. Eher wirkt sie stolz. Kann sie auch sein. Zusammen mit Lebensgefährte Ralf Wibberg schaukelt sie seit über acht Jahren an der Obere Münsterstraße einen Antik-Trödel. Der Laden läuft prima und die 48-Jährige ist bereits dabei, die nächste verrückte Trödellität aus dem Boden zu stampfen: „Petras Plattenecke“ soll sie heißen und auf rund 45 Quadratmetern den Freunden von Schallplatten und Schellack-Schätzchen eine Art Ali-Baba-Staun- Fundhöhle bieten.

„Damit sind wir nach vielen Jahren wieder der erste Plattenladen in Castrop-Rauxel“, jubelt die Vinylfreundin, die es sich zum Ziel gesetzt hat, dass „die Schallplatte wieder in aller Munde kommen soll“. Schallplatten? Das waren doch die großen und kleinen runden Dinger, sie sich beim Abspielen so munter sichtbar drehten. Die Dinger, die die Musik zum Springen brachten, wenn beim wilden Tanzen der Hintern der Zappelwilligen an die Abspielkiste knallte. Die Teile, die man in den 70er Jahren gerne durch die Stadt spazieren trug, wobei das oftmals einzigartig-auffallende Cover aus purem Besitzerstolz unter der Armbeuge hervorlugte. Also allesamt Dinge die inzwischen hoffnungslos out sind.

„Nein, nein“, jubelt Petra Knoop, „stimmt nicht, das kommt alles gerade wieder zurück.“ Und es macht ihr so richtig Spaß. Was man auch merkt. Ihre Initialzündung empfing die Castrop-Rauxelerin in den heimischen vier Wänden. Sie hatte sich einen Nostalgie-Plattenspieler zugelegt, schmiss olle Schallplatten - vom Trödel! - drauf und war ganz einfach hin und weg. „Es ist einfach zu schön, das alles wieder zu hören“, schwärmt sie noch heute. Und dann tauchte auch noch Ralfs Bruder Frank auf, ein ausgewiesener Vinyl-Fan. „Der sagte nur: Baut ‘ne Plattenecke.“

Nun ist fast alles fertig, wird wahrscheinlich in den nächsten drei Wochen Eröffnung gefeiert. Petra räumt und schrubbt, sortiert Verstärker und Anlagen in die Regale ein, sorgt für ein 70er Jahre Schaufenster - „Die Flower-Power-Deko ist echt“ - und lädt auf die kleine Sessel-Landschaft zur Verschnaufpause. „Es soll ja ruhig zugehen, nicht hektisch, ist ja schließlich eine Zeitreise. Und Zeit zum Plaudern sollte beim Stöbern dazugehören.“ Wer will, kann nun im Vinylambiente am Platz nehmen, eine Partie Schach am Antik-Tisch spielen oder eben im Sortiment suchen und zum Sofortverzehr eine Scheibe auf dem Original-Philipps Stereo Commander Rosita abspielen.

Das Angebot wird gerade von Frank Rainer Sigert gerichtet. Der 58-Jährige ist bekennender Sammler, weiß alles übers Vinyl und ein ausgewiesener Spezialist in Sachen Krautrock. Sie wissen schon: „Birth Control“ mit Hugo Egon Balder oder „Amon Düül“ mit Rolf Zacher und so.

Frank Rainer „bringt da jetzt Grund rein“ und schwärmt dabei von den Covern. „Das war noch richtige Kunst zum Beispiel ,Revolver’ von den Beatles. Fantastisch.“ Einmal ins Schwärmen gekommen, bricht gar Leidenschaft durch - zeitlich begrenzt nur vom Ende seiner Tage. „Ich bin so plattenverrückt, dass man mir die Scheiben mit ins Grab legen sollte.“

Tja, was macht denn die Liebe so groß? Nun, es ist der Klang. Sigert: „Eine LP muss knistern wenn man sie abspielt. Der Sound ist viel weicher und sanfter als bei einer CD. Eben das einzig Wahre.“

Der Plattensammler aus Passion muss Wiedereinsteigerin Petra Knoop längst nicht mehr überzeugen. Für sie sind die Scheiben - „Ich habe 6000 Stück und noch den Keller voll.“ - inzwischen „zu einer richtigen Liebe geworden“. Und damit die auch möglichst lange hält, geht’s irgendwo auch um Pflege im weitesten Sinne. „Schauen Sie mal hier, ich habe mir extra eine Schallplattenwaschmaschine angeschafft.“ Sauber, sauber.