Castrop-Rauxel. .
Das Strafgericht hat eine 31-jährige Mutter jetzt zu einer Bewährungsstrafe wegen Körperverletzung verurteilt. Während sie ihren Rausch ausgeschlafen hatte, war ihr zweijähriger Sohn vom Balkon gestürzt.
Es war ein tragisches Unglück. Der zweijährige Dennis klettert unbeaufsichtigt auf die Balkonbrüstung der elterlichen Wohnung und stürzt vier Meter in die Tiefe.
Die stark alkoholisierte Mutter liegt derweil schlafend in einem Nebenzimmer, der Vater befindet sich wegen seiner Trinksucht im Krankenhaus. Später wird eine Nachbarin berichten, dass der Steppke bereits einen Tag zuvor auf die Balkonbrüstung im ersten Obergeschoss geklettert sei und sie die 31-Jährige darauf aufmerksam gemacht habe.
Schädel und Unterschenkel waren gebrochen
Die Mutter des kleinen Dennis, der nach dem Sturz in Lebensgefahr schwebte, musste sich nun wegen vorsätzlicher Körperverletzung vor dem Castrop-Rauxeler Strafgericht verantworten. Obwohl der Junge tags zuvor schon einmal auf die Brüstung der Wohnung an der Wittener Straße in Merklinde geklettert sei, habe sie an diesem 2. Mai 2010 sehr viel Alkohol konsumiert und sei schließlich eingeschlafen. Das Unglück, das sich in den Nachmittagsstunden ereignete, konnte sie somit nicht verhindern. Dennis zog sich schwerste Verletzungen zu: Schädel und Unterschenkel waren gebrochen.
Selbst nicht in der Verfassung sich zu den Vorwürfen zu äußern, ergriff die Verteidigung das Wort für die Angeklagte: Sie räume ein, dass sie nicht aufgepasst, dass sie zu viel getrunken habe. Ihre Mandantin, so die Anwältin weiter, leide unter einer Alkoholerkrankung, habe gemeinsam mit ihrem Mann bereits mehrere Therapien gemacht, in eine Entziehungskur habe die Beschuldigte gar ihren Sohn mitnehmen dürfen. Die letzte stationäre Behandlung sei Ende vergangenen Jahres abgeschlossen gewesen. Derzeit befinde sie sich in einer ambulanten Nachsorge des Diakonischen Werkes, nehme dort regelmäßig an Beratungsgesprächen teil. Und seitdem der Zweijährige auf Weisung des Jugendamtes nicht mehr bei seinen Eltern wohne, habe sie keinen Tropfen mehr getrunken, betonte die Verteidigerin.
Pflegefamilie kümmert sich um das Kind
Dennis lebt seit dem Vorfall in einer Pflegefamilie im Münsterland. Dort gehe es ihm sehr gut, berichtete die Anwältin. Es bestehe regelmäßiger Kontakt zu seinen leiblichen Eltern, erst vor wenigen Tagen hätten sie den Kleinen erneut sehen dürfen. Ob Dennis aber bald wieder zurück nach Castrop-Rauxel darf, wird das Oberlandesgericht in Hamm entscheiden. Derzeit führe ein Gutachter Gespräche mit den Eltern, um darüber befinden zu können, ob der Junge zurück könne, oder ob es bei einem geregelten Besuchsrecht bleibe, erklärte die Verteidigung.
Für ihre Mandantin sei es die größte Strafe, dass Dennis nicht mehr bei ihr sei, so die Anwältin. Deshalb sei sie bemüht darum, dass ihr Sohn zurück dürfe: Sie lebe absolut abstinent und auch die Wohnung in Merklinde sei mittlerweile in einem deutlich besseren Zustand als noch im Mai letzten Jahres. Damals soll diese – das Kinderzimmer ausgenommen – recht verwahrlost gewesen sein.
Nach den Ausführungen der Verteidigung stellte sich für Strafrichter und Staatsanwaltschaft die Frage nach dem Straftatbestand. Sie sahen keine vorsätzliche, sondern lediglich eine fahrlässige Körperverletzung. Doch die Schwere der Schuld bleibe, so die Staatsanwaltschaft und forderte vier Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung.
Der Strafrichter folgte diesem Antrag. Die 31-Jährige, die bisher noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten war, muss nun weiterhin an ihrer Alkoholproblematik arbeiten und ein straffreies Leben führen.