Castrop-Rauxel. .

Der 40-jährige SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe fliegt zur UN-Klimakonferenz nach Cancun in Mexiko. Er ist sich sicher, dass es dort aber nicht zu einem großen, umfassenden Abkommen kommen wird.

An diesem Samstag macht Frank Schwabe - pardon - die Schwalbe: Der 40-jährige SPD-Bundestagsabgeordnete aus der Europastadt wird dann per Flieger das 28 Grad warme Cancun in Mexiko ansteuern.

Doch nicht Strand oder Bikiniträger sind das Ziel, sondern die UN-Klimakonferenz. Mit dem Klima-Experten und stellvertretenden umweltpolitischen Sprecher sprach Gerhard Römhild.

Frage: Sie machen einen Abstecher nach Guatemala?

Frank Schwabe Ja. Ich werde bis Dienstag dort bleiben und u.a. den Präsidenten treffen. Ich kenne das Land von vorherigen Besuchen. Dort lässt sich der Klimawandel und vor allem seine Folgen sehr gut studieren. Jeder Tropensturm fegt da voll durch, ruiniert immer wieder die Infrastruktur. Zudem gibt es große Regenwaldgebiete, die stark abgeholzt werden. Ab Dienstag geht’s dann weiter nach Cancun.

Was sind Ihre Erwartungen?

Vor Kopenhagen gab es eine große Euphorie und ein Stück weit Hoffnung. Alle haben gesagt, es muss jetzt gehen und wir haben es sehr hoch getrieben. Doch danach folgte tiefe Ernüchterung bis zu Depressionen, übrigens auch bei mir persönlich. Mittlerweile wurde das von einem gesunden Realismus abgelöst.

Also?

Wir werden in Cancun nicht zu einem großen, umfassenden Abkommen kommen. Das ist klar. Ich gehe sogar soweit, dass wir es auch ein Jahr später bei der Konferenz in Südafrika nicht bekommen werden.

Frustriert?

Nein, es ist nicht sinnlos, es ist zwar kompliziert, aber es gibt eine realistische Chance, dass man in vier Bereichen zu Ergebnissen kommt. Das ist wichtig, da es Bereiche sind wo wir nicht sagen können: Nun warten wir mal noch zehn Jahre.

Das wären?

Nun, ein Bereich ist der Waldschutz. Jeden Tag werden zig Fußballfelder Regenwald vernichtet. Da können wir durchaus schon jetzt zu einem Abkommen gelangen, dieses Teilgebiet damit abschließen. Ein weiteres Thema ist die Anpassung an den Klimawandel. Beispiel Guatemala, da muss man Ingenieure hinschicken, die dann sichere Brücken bauen. Man muss auch bei der Infrastruktur helfen, Katastrophenschutz organisieren.

Das reicht noch nicht aus.

Richtig: Der dritte Bereich ist der Technologietransfer. In vielen Ländern der Welt muss über das Energieversorgungssystem der Zukunft geredet werden. Ein Kohlekraftwerk neu gebaut, würde dann dort sehr lange stehen, aber das wollen wir ja nicht. Deshalb müssen wir denen das Know-how geben, von dem wir glauben, dass es kompatibel ist zur Entwicklung des Klimas.

Wer zahlt das?

Das ist der vierte Bereich, die Finanzierbarkeit. Wir benötigen eine Architektur für einen Fonds, um das ganze zu finanzieren. Da ist die entscheidende Frage: Was kommt da rein, wo kommt das Geld her? Und vor allem, wo wird es aufgehängt? Bei der Weltbank gibt es eine effiziente Entscheidungsstruktur, aber sie ist eben geprägt von den Industrieländern wie USA und Europa. Oder man macht es bei der UN, dort ist es demokratischer, aber die Strukturen müssen überhaupt erst mal aufgebaut werden. In diesen vier Teilbereichen sind trotzdem durchaus Fortschritte zu erzielen.

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Der Klimawandel . . .

. . . findet tagtäglich statt. Erst vor zwei Wochen habe ich den Umweltminister von El Salvador getroffen. Der erzählte, dass er den Schulkalender umbaute, ihn um ein paar Wochen verschoben hat, weil sich die Erntezeiten verändert haben. Vor vier Wochen traf ich Vertreter von Mikronesien, 600 Inseln, davon 110 bewohnt. Die bereiten sich darauf vor, die Inseln in den nächsten zehn bis 20 Jahren zu verlassen, weil das Wasser steigt.

Zeit zum Umsteuern?

Je länger man wartet, desto verheerender sind die Auswirkungen und desto schwieriger wird es, mit dem Thema umzugehen. Entweder Radikalbremsung beim CO2-Ausstoß, das werden aber alle nicht wollen, weil es zum Zusammenbruch von Volkswirtschaften führen würde - hier bei uns. Oder man muss exorbitante Kosten aufwenden, um sich an den Klimawandel anzupassen. Die Welt wird das überleben, die Frage ist nur zu welchen Schäden, zu welchen dramatischen Kosten an Menschenleben, Elend und all dem. Es ist also keine Frage ob es irgendwann noch geht, denn es geht alles, aber es wird dramatischer und teurer.

Wer ist denn nun eigentlich das Problem - China oder USA?

Es sind die USA, und ich sage jetzt einmal: Ich habe die Faxen dicke. Wir können nicht noch auf eine weitere Wahl dort warten. Vielmehr muss die internationale Gemeinschaft die Debatte verändern.

Wie soll das gehen?

Es hieß immer wir machen was, wenn die anderen etwas machen. Das glaube ich, ist gescheitert. Man kann nicht immer auf den Letzten warten. Jetzt müssen wir als Europäer sagen, dass es für uns ein erfolgsversprechender Weg ist, effizienter mit Energie umzugehen. Also Produktionsweisen so umzustellen, dass man weniger Energie verbraucht und damit weniger abhängig ist von endlichen, fossilen Energieträgern. Das ist die Herausforderung und es ist ein Kampf mit dem Status quo, also mit denen, die ihr Geld machen mit dem wie es ist.

Denken die zu kurzfristig?

Nur die Volkswirtschaft kommt nach vorne, die sich frühzeitig auf den Klimaschutz einstellt. Und ich glaube, dass das ein erfolgversprechender Weg ist.

Wenn Cancun scheitert?

Das Thema ist weiterhin hoch aktuell. Wir brauchen den UN-Prozess. Ich wehre mich mit Händen und Füßen gegen aufkommenden Zynismus. Aber wir können nicht mehr warten, sondern müssen eigene Dinge machen und Allianzen bilden. Klimaschutz ist ein Winner-Thema für die eigene Volkswirtschaft. Dafür braucht es die politischen Voraussetzungen u.a. durch ambitionierte Einzelgesetze, durch klare Obergrenzen beim Ausstoß von Schadstoffen.