Castrop-Rauxel. .

Zwei Familien eröffneten die erste türkische Bäckerei in Castrop-Rauxel: Das Café Belinda am Busbahnhof.

Was meint Integration? Vielleicht das: Wenn ganz selbstverständlich Puddingplunder neben Pide liegt, das Mohnbrötchen neben Sütlü Simit, wenn Ines Hövener ein Schinkenbrötchen schmiert und daneben Vildan Cesim eine türkische Pizza rollt. Am Castroper Busbahnhof eröffneten vor kurzem die beiden Ehepaare Sentürk und Alkan die erste türkische Bäckerei in Castrop-Rauxel. Mit ihrem Café möchten sie den Geschmack (und Geldbeutel) beider Kulturen bedienen.

„Belinda“ heißt das Geschäft, benannt nach Inhaberin Filiz Belinda Sentürk, und es befindet sich dort, wo zuvor das Zoohaus Gravemann über 30 Jahre lang Wellensittichfutter, Katzenbäume und Hundeleinen verkaufte. Die Gravemanns gingen nach dem Sommer in den Ruhestand, die beiden Castroper Familien sicherten sich schnell das Ladenlokal und investierten 100.000 Euro für einen Komplett-Umbau.

Mit der spezialisierten Bäckerei meinen sie, eine Marktlücke entdeckt zu haben. „Viele Kunden aus Castrop kaufen in den großen türkischen Bäckereien in Dortmund oder Herne ein“, sagt Belinda Sentürks Mann Orhan, der eigentlich an der Johannes-Rau-Realschule als Lehrer für Englisch, Erdkunde und Sport arbeitet. Seine Schüler waren in den ersten Verkaufstagen auch die ersten Kunden, neben vielen, die aus Neugier gucken kamen.

Zwei ältere Damen studieren etwa fünf Minuten lang die Auslagen und obwohl jedes Produkt auch mit einem deutschen Namen ausgezeichnet ist, fällt die Wahl schwer. Es wird eine urdeutsche Entscheidung: Donauwelle und Kaffee, „bitte nicht so stark“.

Die deutschen Produkte liefert auch ein deutscher Bäcker an. „So was können wir nicht“, gibt Orhan Sentürk unumwunden zu. Auch die türkische Patisserie, etwa aufwendige, für den deutschen Geschmack fast kitschige, Cremetorten oder die Baklava-Röllchen, gefüllt mit Pistazien, Walnüssen oder Mandeln, werden geliefert.

In der großen Küche aber (das Geschäft besteht zu 50 qm aus Verkaufsfläche und zu 50 qm aus Küche) soll ab Dezember richtig gewirbelt werden: mit selbst gebackenem Fladenbrot oder Feta-Börek. Zwei türkische Bäcker seien dafür eingestellt worden, ferner zwei Küchenhilfen, die auch Mittagssnacks, wie eine türkische Linsensuppe zubereiten. Noch ist der Backofen allerdings nicht angeschlossen, und zunächst will man in Ruhe üben.

Die Melange aus beiden Kulturen ist wirtschaftliches Kalkül. „Die deutschen Kunden kommen bis 11 Uhr“, sagt Orhan Sentürk. „Die möchten zehn Brötchen oder Croissants. Und warum sollten wir so jemanden zum Mitbewerber schicken?“ Ab mittags erst werden türkische Produkte verlangt. Dann packt die Bäckereifachverkäuferin Ines Hövener ihre Tasche und geht nach Hause, dafür kommen türkischsprachige Aushilfen, wie Vildan Cesim. „Eigentlich studiere ich Wirtschaftsingenieurwesen“, sagt die Studentin und serviert den zwei interessiert guckenden Rentnerinnen noch einen Kaffee.

Frau Gravemann sei übrigens auch schon gucken gekommen, erzählt Orhan Sentürk. Wenn auch - angesichts der fremden Welten - etwas zögerlich.