Castrop-Rauxel. Eine erste Informationsveranstaltung zum Thema Stadtwerke-Gründung fand jetzt in interfraktioneller Besetzung mit den Spitzen von SPD, Grünen, CDU, Linke und FWI sowie Bürgermeister Johannes Beisenherz im Bürgerhaus statt.

Die zwei als Referenten eingeladenen Praktiker, der Chef der Hertener Stadtwerke, Gisbert Büttner, und Michael Wübbels, stellvertretender Geschäftsführer des Dachverbandes Kommunaler Unternehmen (VKU), stellten verschiedene Stadtwerke-Modelle vor und sprachen eine Empfehlung zur Gründung aus.

Beide Referenten waren in den letzten Wochen bereits auf Stadtwerketour in anderen Städten des Kreises. So in Gladbeck, Marl, Recklinghausen. Büttner, der vor allem die „inhaltliche Diskussion“ in der Europastadt lobte, und den Zuhörern echtes Interesse bescheinigte - „die Leute meinen das sehr ernst“ - sieht Castrop-Rauxel bestens aufgestellt. Da der Konzessionsvertrag mit RWE noch bis zum 31. 12. 2018 läuft, „hat Castrop-Rauxel ein gutes Zeitfenster“. Büttner: „Da bleibt genügend Zeit zur Verwirklichung.“ Die Phase bis dahin wollen die Hertener zudem mit Kooperationen nutzen. „Wir würden gerne die ein oder andere Dienstleistung abgeben.“

Rajko Kravanja, bei der SPD federführender Stadtwerke-Vorantreiber ist von der Idee völlig überzeugt. „Nicht die Aktionäre der Stromversorger erhalten die Gewinne, vielmehr fließt das Geld in die Stadt.“ Aufgaben der Daseinsvorsorge können so finanziert werden und Schulen, Kindergärten usw. dürfen sich über Spenden freuen. „Endlich bekämen wir als NothaushaltKommune so wieder eine politische Steuerung hin.“

Der Sozialdemokrat will das Thema möglichst breit in der Stadt aufgestellt sehen. „Es muss eine parteiübergreifende Sache werden, die zudem in einen großen gesellschaftlichen Kontext gestellt werden muss. Ich nenne sie einfach mal ,Wettbewerb der Ideen’.“ Keinesfalls soll das Thema mit der rot-grünen Mehrheit durchgepaukt werden. Nicht nur die Parteien, sondern auch die Bürger sollen unbedingt mitgenommen werden. Das dürfte derzeit nicht allzu schwer sein, ist doch in der Bevölkerung durchaus der Wunsch nach eigenen Stadtwerken zu spüren, so Kravanja. „Das ganze ist ein ,Push-Thema’ geworden.“

Im Bürgerhaus jedenfalls zeigten alle Parteien sehr großes Interesse, sagten keinesfalls Nein, sondern stellten Fragen und Forderungen, die nun in eine Vorlage einfließen, die die Verwaltung in der Dezember-Ratssitzung präsentieren soll. So fragte die Linke bereits konkret nach Sozialtarifen, die FWI nach mehr Bürgerbeteiligung und die CDU nach den Kosten. Kravanja hat die Hoffnung, dass in der Folge noch vor der nächsten Sommerpause dann eine Entscheidung fällt.

Dabei geht es jetzt noch gar nicht um das große Ganze, sondern um einen Start im Sinne von klein-klein. Los gehen könnte es mit einer Vertriebsgesellschaft, die als Einkaufsgemeinschaft für Strom sorgt. Ein oder zwei Mitarbeiter säßen dann als Ansprechpartner vor Ort. Angedockt an bestehende Stadtwerke, würden diese u.a. die Abrechnung übernehmen, da die Infrastruktur ja dort vorhanden ist. Kravanja: „Eine sichere Geschichte, und wir werden immer noch billiger sein als RWE.“ Der nächste mögliche Schritt wäre dann die Übernahme des Stromnetzes von RWE, eine geschätzte 40-Mio-Investition. Und in der Endphase könnte es auch um die Produktion eigenen Stroms gehen, beispielsweise durch Blockheizkraftwerke in Neubaugebieten.

Die Hertener Stadtwerke haben bereits gute Geschäftsverbindungen nach Castrop-Rauxel. Erst kürzlich legten sie das wirtschaftlich günstigste Angebot zur Beschaffung von Ökostrom für die Stadt vor. Der Lieferbeginn ist in 2011 und geht zunächst drei Jahre.

Mit dem Aufstellen eines Stadtwerke-Apparats will die Europastadt die Stromversorgung in eigene Hände nehmen. Dazu gehört natürlich, das Thema Stadtwerke in die Öffentlichkeit zu bringen. Rajko Kravanja: „Wir müsssen Werbung machen und einen Kundenstamm aufbauen.“ Die SPD - Kravanja hofft, dass die anderen Parteien es genauso machen - will den Stadtwerke-Gedanken in die Ortsteile tragen. „Wir tingeln los und machen es bekannt.“ Als Ziel sieht der Sozialdemokrat die Identifikation der Bürger mit ihren Stadtwerken. Eine Beziehung mit positiven Folgen. So zeigten die Erfahrungen in anderen Städten, dass Stadtwerke-Kunden den Anbieter kaum wechseln.