Castrop-Rauxel. .

66 Castrop-Rauxeler suchten im vergangenen Jahr die Hilfe eines Schuldenberaters. Mit 10000 bis 25000 Euro standen die meisten von ihnen in der Kreide – ohne Chance, die Schulden zu begleichen.

Ein beispielhafter Fall: Monika und Peter sind ein Paar. Beide arbeiten, mit dem doppelten Gehalt kommen sie prima über die Runden. Größere Anschaffungen wie das Auto können sie zwar nicht bar bezahlen, sondern in Raten. Die Möbel finanzieren sie über einen Bankkredit. Aber alles kein Problem – bis Monika schwanger wird. Ein Gehalt wird bald fehlen, und das Kinderzimmer muss auch noch eingerichtet werden.

„Dann steht vielleicht eine größere Auto-Reparatur an, beim zweiten Kind wird die Wohnung zu eng, und Peter verliert seinen Job“, spinnt Rainer Paals die Geschichte weiter. Der Insolvenzberater beim Caritasverband braucht dafür keine Fantasie. So oder auf ähnliche Weise sind viele Menschen, die ihm gegenübersitzen, hoffnungslos in die Schulden abgerutscht.

66 Castrop-Rauxeler suchten im vergangenen Jahr seine Hilfe. Mit 10000 bis 25000 Euro standen die meisten von ihnen in der Kreide – und hatten keine Chance, ihre Schulden zu begleichen. Bei allen Klienten zusammen türmte sich der Schuldenberg auf 4,108 Millionen Euro.

Wenn sie zu Rainer Paals kommen, wissen die Schuldner in der Regel nicht mehr ein noch aus. Das Girokonto ist überzogen bis zum Anschlag, bei der früher immer so „großzügigen“ Bank, die den Dispokredit erhöhte und bei der Umschuldung behilflich war, ist nichts mehr zu holen, Rechnungen und Mahnungen stapeln sich, der Gerichtsvollzieher stand schon ein paar Mal vor der Tür...

Bei Ralf Wenzel, dem Schuldnerberater bei der Stadtverwaltung, waren sie dann auch schon. Der hat mit ihnen gemeinsam eine Bestandsaufnahme gemacht, herausgefunden, wie viele Gläubiger eigentlich auf ihr Geld warten, anhand von Haushaltsplänen versucht, Einsparpotenziale zu finden.

Wenn die Ratsuchenden anschließend bei Rainer Paals sitzen, dann ist es Ralf Wenzel gelungen, „Grund“ ins Chaos zu bringen: Die Schuldner kommen mit ihrem monatlichen Einkommen jetzt über die Runden, „nur“ die Altlasten drücken noch und sind trotz aller Bemühungen nicht abzutragen – die Voraussetzungen für ein privates Insolvenzverfahren sind erfüllt.

Wer glaubt, das sei eine ganz bequeme Möglichkeit, seine Schulden los zu werden, der irrt. Das Verfahren ist lang und verlangt allen Beteiligten eine Menge ab. Den Gläubigern ohnehin. Im weit überwiegenden Teil aller Fälle gehen sie leer aus, aber: Der Schuldner muss alles tun, um ihnen so viel Geld wie eben möglich zurück zu bezahlen. Konkret: Er muss sich ernsthaft und nachweisbar um eine Arbeitsstelle mit pfändbarem Einkommen bemühen, muss sich verpflichten, seinen Schuldnern die Hälfte möglicher Erbschaften zu überlassen und hat regelmäßige Meldepflichten. Erfüllt er diese Voraussetzungen, ist er nach einer sechs Jahren dauernden „Wohlverhaltensphase“ schuldenfrei – aber auch nicht mehr kreditwürdig.

„Wer sich diesem Verfahren stellt, ist keiner, der mal eben seine Schulden loswerden will“, weiß Rainer Paals. „Es sind Menschen, die lieber alles auf Heller und Pfennig zurückzahlen würden.“ Natürlich gebe es auch „die Anderen“, aber: „Die landen gar nicht bei mir, die machen schon einen Rückzieher, wenn sie beim städtischen Schuldnerberater erfahren, dass sie sich einen Job suchen müssen.“

66 Fälle hat Rainer Paals im vergangenen Jahr bearbeitet. 30 mündeten in einer Insolvenz, drei konnten im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung beendet werden, die übrigen sind noch nicht abgeschlossen. Eher die Ausnahme sind ganz junge Schuldner, das Gros ist zwischen 30 und 50. Steigend ist die Zahl älterer Menschen. „Sie schämen sich häufig, wollen aber die Situation zu Lebzeiten bereinigen.“

Rainer Paals rät allen, die in die Schuldenspirale zu geraten drohen, möglichst früh den Rat eines Fachmannes einzuholen: „Das Schlimmste ist, den Kopf in den Sand zu stecken und das Problem zu lange zu ignorieren.“ Und weil er weiß, dass manch einer aus Scham zögert, sagt er immer: „Es geht nur um Geld. Es gibt doch Schlimmeres.“