Castrop-Rauxel. .
Brieftauben, Schachtzeichen, Zechenkind, Taubencomics: Die Ruhrgebietskunst ist bald um eine Aktion reicher: Am Twin-Projekt „Im Flug vergangen“ von Matthias und Kersten Grosche sowie Ursula Commandeur beteiligen sich 30 Künstler sowie 1700 Brieftauben mit Rucksäcken.
Es begann mit einer Flasche Wein. Die wurde vor zwei Jahren am Küchentisch geleert. Mit dem letzten Schluck stand die Idee fest: Zum Kulturhauptstadtjahr möchten auch die Schmuckdesigner Kersten und Matthias Grosche sowie die Keramikerin Ursula Commandeur einen besonderen Beitrag leisten. Und zwar: irgendwas mit Tauben, der Mutter der Luftpost, dem Synonym für das Ruhrgebiet. Nun ist es soweit, das Projekt „Im Flug vergangen“ befindet sich - im Landeanflug.
Auftaktveranstaltung mit „Schachtzeichen“
Die Auftaktveranstaltung findet am Samstag, 22. Mai, von 11 bis 19 Uhr statt: Dann wird im Erinpark das „Schachtzeichen“ gesetzt, ein weit sichtbarer gelber Ballon. Damit beginnt die Ausstellung im Galeriehaus Grosche und in der Keramikwerkstatt Commandeur. Zunächst werden sich die teilnehmenden Künstler - 20 aus dem Ruhrgebiet und zehn weitere aus Ungarn, Österreich, den Niederlanden und Bulgarien - mit ihren Arbeiten vorstellen. Gemeinsam werden die Bildhauer, Maler, Fotografen oder gar Comic-Illustratoren an dem Thema „Im Flug vergangen“ arbeiten. Ihre Werke sollen die Zeit vor und nach dem Kohlebergbau interpretieren.
Nun kommen die Tauben ins Spiel: Wenn die Werke im August fertig sind, werden sie nach Castrop-Rauxel geflogen. Oder vielmehr: eine kleine Speicherkarte mit Fotos des Objekts wird in einen speziellen Rucksack gepackt, der der Taube umgeschnallt wird.
„Tauben mit Rucksäcken sind nichts ungewöhnliches“
Wie bitte? „Das ist nichts ungewöhnliches“, sagt Taubenzüchter Manfred Wörner, dessen 50 Tauben mit 1650 anderen geflügelten Kollegen aus der „Reisevereinigung Castrop-Rauxel“ an dem Projekt teilnehmen. Im Krieg hätten die Tauben zum Beispiel Nachrichten von der Frontlinie ins Hinterland geflogen. Die Taubenväter sind glücklich: „Wir sind froh, mit unserem Hobby so in den Vordergrund zu rücken.“ Wörners Tauben trainieren schon, fliegen 50 km, bald 100 km zum heimischen Schlag zurück. Im Juli sollen sie von Linz ins Revier flattern.
Dann werden sie mit einem besonderen Ring geschmückt sein: Matthias Grosche hat einen roten Aluminium-Ring für Taubenfüße entworfen. „Menschliche Kulturträger“ können diesen in Silber käuflich erwerben. Laut Kersten Grosche ist der schon jetzt ein Verkaufsschlager - und wird an einstige Revierbewohner in ganz Deutschland verkauft.