Castrop-Rauxel. Mehr als 300 Gräber wurden auf dem St. Lambertus Friedhof in Castrop-Rauxel geschändet. Die Zerstörungsorgie ereignete sich in der Nacht zum Sonntag. Die Polizei spricht von einem Schaden in Höhe von mehreren 10 000 Euro.

Eine Spur der Verwüstung zogen bislang unbekannte Täter quer über den katholischen Friedhof St. Lambertus. In der Sturmnacht zum Sonntag zerstörten sie fast 300 Gräber auf dem ältesten Friedhof Castrop-Rauxels, auf dem erstmals im Jahr 1867 bestattet wurde. Die Polizei spricht von einem Schaden in Höhe von mehreren 10 000 Euro.

Vandalismus auf dem kath. Friedhof St. Lambertus in Castrop-Rauxel. Unbekannte haben ca. 300 Gräber verwüstet und Grabsteine und -schmuck z.T. schwer beschädigt. Die Eheleute Ruth und Christian Curowietz am beschädigten Grab der Mutter Ottilie. Foto: Thomas Gödde / WAZ FotoPool
Vandalismus auf dem kath. Friedhof St. Lambertus in Castrop-Rauxel. Unbekannte haben ca. 300 Gräber verwüstet und Grabsteine und -schmuck z.T. schwer beschädigt. Die Eheleute Ruth und Christian Curowietz am beschädigten Grab der Mutter Ottilie. Foto: Thomas Gödde / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool

Das Schmuckstück an der Wittener Straße trägt Trauer an diesem windigen Tag. Besucher, Angehörige sind fassungslos. Sie stehen stumm, sie weinen, fassen einander an den Händen. Worte kommen ihnen ob der sinnlosen Zerstörungen nur schwer und sehr leise über die Lippen. Es ist ein Drama.

Gedenksteine und Kreuze herausgerissen

Wo der Blick hinfällt finden sich zerwühlte Graboberflächen, wahllos verstreute Blumen, zerfetzte Gebinde, rausgerissene Ziersträucher. Alles liegt kreuz und quer durcheinander. Gedenksteine und Kreuze sind aus der massiven Betonverankerung herausgerissen, umgestürzt worden. Einzelne Buchstaben hängen von den Befestigungsnägeln herab. Und überall liegen Grableuchten herum: Zertreten, zerquetscht, aufgebrochen. Daneben Glassplitter, zerbrochene Granitplatten, die einst die Gräber begehbar machten. „Ein Hort der Verwüstung”, murmelt Friedhofsverwalter Heinrich Kirchhelle. „Das hat keiner im Vorbeigehen gemacht. Die müssen hier wie die Wahnsinnigen getobt haben.” Neben ihm steht Josef Sellinghoff vom Kirchenvorstand: „Was für eine Zerstörungswut. Fast 300 Gräber wurden geschändet und auch sämtliche Scheiben des Friedhofsgebäudes eingeschmissen.”

Ein solches Ausmaß an Vandalismus haben beide noch nie erlebt. Sie sind förmlich erstarrt und genauso fassungslos wie die Besucher. Man tröstet einander, hilft sich gegenseitig beim Aufräumen – soweit dies überhaupt möglich ist. Die Kripo ist gleich mit der Spurensicherung angerückt, gießt Fußabdrücke in Gips. Eine Maßnahme, die nur dann stattfindet, wenn das Ausmaß der Grabschändungen ungewöhnlich hoch ist.

Unterstützung der Bevölkerung notwendig

Dieter Horstmann, Kommissar vom Dienst: „Uns ist sehr viel daran gelegen, diese Leute an die Hammelbeine zu kriegen. Mit der Spurensicherung haben wir den Grundstock gelegt. Jetzt hoffen wir auf die Unterstützung durch die Bevölkerung.” Da die Bürger sich in den seltensten Fällen von alleine an die Polizei wenden, wird in den nächsten Tagen der Bezirksdienst durch die Anwohnerstraße gehen und Fragen stellen.

Die beiden Kirchenmänner sind entrüstet. „Das kann alles nicht sein, das ist unglaublich. es muss alles getan werden, um diese Leute zu fassen.” Doris Köhler nickt stumm. Sie weint, blickt auf das durchpflügte Grab, wo Mann und Tochter liegen. „Es ist so grausam. Jetzt vergreifen sie sich schon an den Toten.” Ein paar Meter weiter steht Dieter Niecke, er besuchte gestern die Gräber von Nachbarn. „Ich schwanke zwischen Wut und Trauer. Da findet man keine Worte mehr.”

Totes Kaninchen liegt auf dem Grab

Nur zwei Wegecken entfernt steht das Grabmal der pilzvergifteten Kinder. Die Infotafel aus Glas und Stahl ist zerstört. Vom Grab gegenüber wurden die Granitplatten auf den Rasen geworfen. Mitten im Chaos liegt ein totes Kaninchen. „Grauenhaft”, sagt Beatrix Broecker, „das ist nicht nur so, da steckt System dahinter. Das ist ja wie ein Ritual. So etwas habe ich noch nie gesehen.”

Der Schock sitzt tief bei den Menschen. Hier und da wird bereits fleißig aufgeräumt, die Spurensicherung hat ihr OK gegeben. Heinrich Kirchhelle wird alle Schäden aufnehmen, die Betroffenen in den nächsten Tagen informieren. Kirchhelle: „Jeder einzelne sollte Strafanzeige stellen.” Dann ist wieder Schweigen in der Runde. Brigitte Gmerek und Ursula Sökeland können es immer noch nicht fassen. Sie sind traurig und wütend. „Dass es Menschen gibt, die so etwas machen?” Die Antwort ist ein vielfaches, hilfloses Kopfschütteln.