Castrop-Rauxel. Gewerkschaften und andere gesellschaftliche Gruppen fordern Entschuldungshilfen des Landes für überschuldete Kommunen wie Castrop-Rauxel. Sie laden zur Großdemo unter dem Motto: "Unsere Städte gehen kaputt - Wir wehren uns!".

Den 20. März nennt Udo Behrenspöhler, DGB-Vorsitzender Ortsverband Castrop-Rauxel, „einen ganz wichtigen Termin”. Dann findet nach einer Auftaktkundgebung auf dem Lambertusplatz und Sternfahrt Richtung Recklinghausen in der Vestmetropole der Aktionstag „Unsere Stadt geht kaputt - Wir wehren uns!” statt. Für Behrenspöhler eine „konzertierte Aktion”, bei der Gewerkschaften und andere gesellschaftliche Gruppen ihre Stimmen erheben, um Entschuldungshilfen des Landes und einen fairen Lastenausgleich einzufordern. Behrenspöhler: „Damit bringen wir den Protest auf die Straße.”

Nach dem Krieg, ergänzt der DGB-Vorsitzende Emscher-Lippe, Josef Hülsdünker, hat diese Region dieses Land mit Kohle und Stahl aufgebaut. „Nun kann es nicht sein, dass wir hier als erste unter die Räder kommen.” Spätestens 2014, warnt Behrenspöhler, seien alle Städte in der Überschuldung gelandet. „Dann gibt es keinerlei Möglichkeiten mehr, zu gestalten.”

Dabei seien die Pflichtaufgaben bereits jetzt schon so groß, dass sie nicht mehr gedeckt werden können. Zum finanziellen Kollaps der Städte führten die Steuerausfälle durch die Finanz- und Wirtschaftskrise, Steuerentlastungen für Besserverdiener und Belastungen durch gesetzliche Vorgaben von Bund und Land. Hülsdünker spricht beim letzten Punkt sogar von „einer „unfairen Finanzierung der öffentlichen Aufgaben”. Und sagt klipp und klar: „So kann es nicht weiter gehen in der Region. Land und Bund müssen bezahlen, was sie den Städten aufbürden.”

Einmal in Fahrt, geht's auch dem Osten an den Kragen. Jedes Jahr bezahlten die Städte an Emscher und Lippe den Soli für den Aufbau Ost mit neuen Kassenkrediten, also mit Geld, das sie gar nicht haben. Behrenspöhler: „Seit 1990/91 hat die Stadt Castrop-Rauxel eine Gesamtbelastung von 49,1 Mio Euro getragen.” Dabei stehe man selber mitttlerweile mit fast 150 Mio im Soll. Ja, und was ist die Folge des Abgebens? Hülsdonker: „Wir kriegen hier die Schlaglöcher nicht zu und im Osten fährt es sich bequem bei zudem noch wenig Verkehr.” Und verschärft: „Wo das Geld gebraucht wird, da fehlt es.” So komme Arbeitnehmern und Familien das „Auspressen der Städte teuer zu stehen. Abgaben und Gebühren steigen weiter, Investitionen werden zurückgefahren, für Bildung gibt es viel zu wenig Geld”. Wenn erst die Kommunalaufsicht die totale Kontrolle über die Stadt übernommen habe, dann hätten die Stadträte nichts mehr zusagen. Dann werde alles gekürzt, was gekürzt werden kann. „Auch das Personal.” Dieser angeblichen Spar-Wunderwaffe erteilt der Gewerkschafter jedoch eine rigorose Abfuhr.

Personalkosten betrügen nur 20 Prozent der geplanten Ausgaben. Selbst wenn alle ihre Leute entlassen würden, könnten die Kommunen ihre Haushalte trotzdem nicht sanieren. „Wir sollten uns nicht tot sparen und damit die kommunale Selbstverwaltung aus dem Rennen kippen.” Denn: „Das Personal frisst die Kohle nicht weg.” Auch Peter Jost, Personalratsvorsitzender der Stadt, warnte vor einem Abbau. Nicht nur die Leistungen für die Bürger wie beispielsweise Bibliothek oder Schwimmbad seien dann verloren, „auch die Arbeitsplätze, die da wegfallen, müssen woanders finanziert werden”.

Zudem seien die Kommunen die zentrale Stütze des Sozialstaats, „die können wir nicht abbauen”, ergänzt Hülsdünker. Eher könne man auf ein paar Bundesländer verzichten, denn auf die Kommunen, wo schließlich „die Musik spielt”. Was also tun? Geld ist genug da, sagt Hülsdünker und benennt das Geldvermögen in Deutschland mit rund 4,6 Billionen Euro. Eine zweiprozentige Abgabe/Vermögenssteuer für alle sorge so für über 90 Mrd Euro, die die öffentlichen Haushalte entlasten könnten.

Starker Gewerkschafts-Tobak, den der DGBler auch gern entzünden würde. „Mit dem Papierschreiben ist jetzt Schluss. Wir müssen einen richtigen Aufschlag schaffen, einen Impuls schicken und zeigen, dass die im Revier nicht mehr still halten sondern mit den Füßen scharren.”

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Die Auftaktkundgebung zu „Unsere Stadt geht kaputt – Wir wehren uns!” in Castrop-Rauxel findet am nächsten Samstag, 20. März, um 10 Uhr auf dem Lambertusplatz statt.

Etwa eine Stunde lang werden Bürgermeister Johannes Beisenherz, die Landtagskandidatin der SPD, Eva Steininger-Bludau, Verdi-Mann Bastian Prange aus Dortmund sowie der Castrop-Rauxeler DGB-Vorsitzende Udo Behrenspöhler den Demonstranten einheizen. Anschließend geht's per Autokorso vom Eringelände über den Westring und Suderwich nach Recklinghausen. Zeitgleich rücken mehrere Autokorsi aus allen Städten der Region ebenfalls Richtung Vestmetropole voran. Die Kollegen der Gewerkschaft der Polizei werden für die Koordination der Korsi sorgen. Treffpunkt ist der Altstadtmarkt im Herzen der City. Die Abschlusskundgebung beginnt dort um 13 Uhr. Als Redner mit dabei sind Frank Baranowski (OB Gelsenkirchen), Cay Süberkrüb (Landrat Kreis), Karlheinz Auerhahn (Bezirksleiter IGBCCE RE), Josef Hülsdünker (Vorsitzender DGB Emscher-Lippe), Robert Sadowsky (1. Bevollmächtigter IG Metall Gelsenkirchen), Andrea Becker (Geschäftsführerin Verdi Bezirk Emscher Nord), Peter Burkowski (Superintendent Ev. Kirchenkreis Recklinghausen) und Michael Ernsting (stellv. Stadtdechant Recklinghausen). Für die Musik sorgt die Marler Gruppe „Soma”.