Nicht nur im RTL-Dschungelcamp, sondern auch im realen Leben, treffen wir auf Phobien.Doch außer Spinnen und schwindelnden Höhen gibt es noch mancherlei: ein Überblick
Die krankhafte, also unbegründete Angst vor Situationen, Gegenständen, Tätigkeiten oder Personen - das ist eine allgemeingültige Definition einer Phobie. Und wer kennt nicht die Schweißtropfen, die der Aufenthalt in luftiger Höhe auf die Haut treiben kann? Ängste können sogar "in" sein: Das RTL-Dschungelcamp "Ich bin ein Star - holt mich hier raus!" läuft in der dritten Staffel. Schlangenbäder und Kakerlakensnacks in Australien, dem Paradies für Gifttiere, lassen einen schaudern. Das ist etwas ganz anderes als die Spinnenangst der Freundin! Fazit: Alles schon gesehen. Wirklich alles?
Sicher nicht. Menschen und ihre Phobien sind individuell. Eines haben diese Ängste jedoch alle zur Folge: Handlungsunfähigkeit. Wird der Phobiker mit einer Angst auslösenden Situation konfrontiert, reagiert sein Körper: Erröten, Zittern, Schweißausbrüche oder steigender Blutdruck bis hin zur Ohnmacht. Nicht immer müssen Phobien das Alltagsleben beeinflussen.So hat der unter Auroraphobie (Angst vor Nordlichtern) leidende Kreisbewohner wenig Probleme, wenn er sich im Urlaub für den Süden begeistert. Auch der Placophobie (Angst vor Grabsteinen) kann man gut entkommen. Anders sieht es dagegen aus, wenn man als Städter unter Hodophobie (der Angst vor Straßen) oder Eosophobie (Angst vor Tageslicht oder Dämmerung) leidet. Wie kommt es dazu?
"Wenn ein Mensch in eine Situation gerät, in der er emotional überfordert ist, springt das Hirn manchmal auf einen willkürlich gewählten Eindruck um. Der ist fortan Auslöser einer Phobie. So kann das schlimmere Erlebnis ausgeblendet werden", erklärt Bärbel Matz-Walter, Heilpraktikerin und Psychotherapeutin. "Die Phobie bietet einen Schutz, um sich mit der eigentlichen Situation nicht auseinandersetzen zu müssen." Eine etablierte Phobie muss daher nicht zwangsläufig mit einem schlimmen Erlebnis verbunden sein. "Oft liegen die Auslöser in der Kindheit", so Matz-Walter. "Kinder haben noch nicht die nötigen Ressourcen entwickelt, um mit allen Situationen umzugehen." Ein Streit zwischen den Elternteilen kann also zu Francophobie (Angst vor Frankreich oder seiner Kultur) führen, wenn gerade Gerard Depardieu über die Mattscheibe flimmert.
Auch Matz-Walter ist seit 1999, als sie ihre Praxis auf dem Herzogswall eröffnete, mit außergewöhnlichen Fällen konfrontiert worden. Patienten mit Angst vor Regenwürmern, Knöpfen oder dem öffentlichen Unterschreiben wurden von ihr therapiert. Sie arbeitet bevorzugt mit Modellen des "Eye Movement Desensitization and Reprocessing", kurz EMDR. Mit dieser Methode der Psychotraumatologie sollen Reiz und Auslöser entkoppelt werden.
"Der Betroffene stellt sich in seiner Phantasie eine Leinwand vor, auf der er mit seiner Phobie konfrontiert wird. Er befindet sich dabei in einer geschützten Position und kann diesen Film jederzeit anhalten." An der Hand der Therapeutin soll sich der Patient sicher fühlen. Sobald körperliche Reaktionen einsetzen, bricht die Therapeutin ab.
Entspannung wird in kleinen Schritten so lange geübt, bis die Reizreaktionen sich aufheben. Nicht immer kann eine Phobie ganz geheilt werden, doch schon ein Abschwächen der Symptome kann hilfreich sein. Nicht jede Phobie verläuft nach dem Reiz-und- Auslöser-Schema. Bromhidrosophobie (Angst vor Körpergeruch) kann zu den erlernten Ängsten zählen, wenn die Eltern keinen Raum ohne Deodorant verließen. Andere Phobien, wie Arsonphobie (Angst vor Feuer) können evolutionstechnische Gründe haben - wer vor Feuer flieht, überlebt. Bleibt die Frage, in welche Sparte die Pentheraphobie (Angst vor der Schwiegermutter) fällt. Und wem bei dem Versuch, dies alles auszusprechen, der Schweiß ausbricht, leidet womöglich unter Hippopotomonstrosesquippedaliophobie - einer Angst vor langen Wörtern.