Kirchhellen. .

Auf einem Bauernhof wird ja prinzipiell vieles erzeugt, was man so zum Leben braucht. Längst auch Strom und Gas. Ein moderner Landwirt ist heute auch Energiewirt. Mit Ackerbau und Viehzucht hilft er Öl, Kohle und Gas zu sparen. Die Energiewende kommt vom Bauernhof.

Beispiel: Johannes Miermann in Kirchhellen. Als Landwirt mästet er am Scheideweg Schweine, und als Energiewirt produziert er alternative Energie: vor allem Bio-Gas. Das macht sich seit Ende vorigen Jahres auch die Stadt zu Nutze. Sie heizt das Schulzentrum und das Hallenbad mit der Wärme, die anfällt, wenn der Kirchhellener das Bio-Gas verbrennt, um Strom herzustellen. Auch für das Gerätehaus der Feuerwehr fällt dabei noch genug Wärme ab, und bald geht auch das Krankenhaus ans Netz.

Mit Blick auf die Stadtkasse

„Wir produzieren pro Jahr zwei Millionen Kilowattstunden Strom und 2,4 Millionen Kilowattstunden Wärme“, erklärt Johannes Miermann junior. Das ist mehr als genug für die Heizungen der städtischen Gebäude, deren Grundverbrauch die Familie Miermann abdeckt. „Uns ist vertraglich die Lieferung von jährlich 1,2 Millionen Kilowattstunden Wärme garantiert“, sagt Dieter Giebelstein, der oberste Gebäudemanager der Stadt.

Giebelstein gewinnt dem Nahwärme-Projekt mit Blick auf die Umwelt und die Stadtkasse viel ab. „Die Abwärme ginge sonst ja verloren. Es ist viel sinnvoller, sie zu nutzen“, sagt der Mitarbeiter der Stadt. Außerdem kann die Stadt so Geld sparen. „Für uns rechnet sich das gut“, sagt Giebelstein. 340 000 Euro habe die Stadt 2011 dafür ausgeben müssen, die Gebäude zu beheizen. „Wir rechnen jetzt mit Kosten von 295 000 Euro“, betont er.

Kurze Wege sind von Vorteil

Die Nähe zwischen Energielieferant und Energieverbraucher spielt bei dem Umweltprojekt womöglich noch eine wesentliche Rolle. Gerade einmal einen Kilometer kurz ist die Gasleitung, die vom Scheideweg über den Kletterpoth zum Heizzentrum zwischen Feuerwehr und Gymnasium führt. „Von so kurzen Wegen profitiert auch der Landwirt. Das ist für ihn ein wichtiger Standortvorteil“, meint der städtische Gebäudemanager, der im Blick behält, dass der Nahwärme-Deal über kurz oder lang auf den Prüfstand kommt.

Denn es gibt da noch eine Partner in im Energie-Bund: Die technischen Anlagen des Nahwärmesystems nämlich gehören nicht der Stadt, sondern einer Wärmecontracting-Gesellschaft in Dresden. Diese kauft dem Landwirt die Wärme ab, an sie zahlt die Stadt die Rechnung. 2015 enden die Verträge. „Dann müssen wir alles europaweit ausschreiben“, erklärt Dieter Giebelstein. Die Nutzung von Bio-Gas könne die Stadt zur Bedingung machen. „Der Landwirt muss dann selbstverständlich so günstig sein, dass er auch wieder den Zuschlag bekommt“, betont er.

Bonus wird eingerechnet

Johannes Miermann junior ist indes zuversichtlich, dass dies gelingt. Mit dem Bio-Gas, das seine Familie aus Maissilage und Wirtschaftsdünger herstellt, produziere sie in erster Linie ja Strom, den ihr die Gesellschaft Emscher Lippe Energie abkauft. „Die Wärme ist ja ein Nebenprodukt. Wir müssen dafür kein Öl oder Gas einkaufen“, erklärt der 24-Jährige, das mache günstige Lieferpreise möglich.

Außerdem profitiert der Landwirt auch von den Bestimmungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz. „Der KWK-Bonus“, sagt der Landwirtschaftsstudent komme ja auch ins Spiel. So werden Biogas-Anlagen wie in dem Kirchhellener Projekt mit zwei bis drei Cent pro Kilowattstunde begünstigt.

Aus Mais und Mist produzieren Bakterien Methan

Vieles, was Johannes Miermann zur Herstellung von Biogas braucht, fällt in der Landwirtschaft eigentlich kostenlos an: Gülle und Mist. Außerdem nutzt er Maissilage, also ein Gärfutter aus Mais, das er ja auch an Rinder oder Schweine verfüttern kann.Der Landwirt hat seine Biogas-Produktion neben den Schweineställen am Scheideweg aufgebaut. So kann er die Gülle aus den Ställen auf kürzestem Weg direkt in die Anlage pumpen. „Für die Herstellung unseres Bio-Gases verwenden wir Maissilage, außerdem Rindermist und Pferdemist vom Nachbarbetrieb“, erklärt Johannes Miermann junior.

Natürlicher Prozess

Die Kirchhellener nutzen dabei einen natürlichen Prozess, um das Gas zu gewinnen. „Einfach ausgedrückt, setzen Bakterien die Kohlenhydrate, Eiweiße und Fette in dem Gemisch in Methan und Kohlenstoffdioxid um“, sagt der 24-Jährige. 40 Grad warm müsse es sein, damit die Bakterien ihr Werk tun. Auf 52 bis 54 Prozent beziffert der Kirchhellener den Methangehalt des Substrates, das auf dem Bauernhof zur Biogas-Produktion eingesetzt wird.

Aus seinem Bio-Gas produziert der Landwirt mit Verbrennungsmotoren Strom, den er ins Netz des Energielieferanten Emscher Lippe Energie einspeist. Auch die dabei anfallende Wärme bleibt nicht ungenutzt. Damit wird mit Wärmetauschern das Wasser in den Heizungsrohren der Schulen und im Hallenbad auf Temperatur gebracht.