Kirchhellen.

Georg Hagemann fährt einen Claas 670 Lexion. Sein Gefährt hat 400 PS und ist 409 000 Euro wert. Das extrem geländegängige Fahrzeug hat da, wo andere Geländewagen einen Kuhfänger haben, ein Schneidwerk. „Es ist ein Geringhoff 6,60 Meter“, sagt Hagemann voller Stolz. Der Lexion ist ein Mähdrescher und Hagemann ist Landmaschinen-Mechanikermeister. Seit Sonntag holt er die Gersteernte für die Kirchhellener Bauern ein. „Wir haben arbeitsreiche Wochen vor uns“, sagt der 25-Jährige.

„Jetzt, wo das Wetter gut ist, muss es schnell gehen, damit wir die Ernte vor der nächsten Schlechtwetterperiode eingefahren haben“, bestätigt Friedrich Steinmann, Bauer und Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Recklinghausen. Laut Steinmann wurde in den letzten 30 Jahren noch nie so spät wie in diesem Jahr die Getreideernte eingefahren. „Das liegt eindeutig an dem andauernden Regen, den wir hatten“, sagt der Landwirt. Getreide kann nicht einfach am ersten, trockenen Tag geerntet werden. „Wir müssen den Feuchtigkeitsgrad der Gerste messen“, erklärt er. „Sie darf maximal 16 Prozent betragen. „Liegt die Feuchtigkeit drüber, würde das Getreide im Silo faulen.“ Aktuell beträgt sie 15,3 Prozent, also ist sie auch reif fürs Silo.

Die Gerste wird in erster Linie für die Vieh-Fütterung verwendet. Sie ist aber auch in den so genannten Frühstücks-Cerealien drin, also im Müsli. „In Kirchhellen sind alle 45 landwirtschaftlichen Betriebe von der späten Ernte betroffen“, sagt Steinmann. Die Bauern lassen ihre Ernte von Landwirtschaftlichen Lohnunternehmen einholen. Das sind Firmen, die Mähdrescher an die Bauern vermieten. „Allerdings fahren die Bauern dann nicht selber, die Firmen haben auch Fahrer, die die Arbeit übernehmen.“ Im Cockpit des Lexion sieht es tatsächlich eher nach Flugzeug aus, und nicht wie in einem Trecker. Der Mähdrescher hat eine Klimaanlage, eine kleine Stereoanlage und viele LED- Anzeigen, die den Fahrer mit Informationen versorgen. Es sieht einfach aus, wie Georg Hagemann das tonnenschwere Gefährt über den Acker lenkt. „Sieht einfach aus, ist es aber nicht. Ich muss darauf achten, dass ich in der Fahrspur bleibe und den Acker nicht über Gebühr mit dem Mähdrescher beanspruche.“ Der Lexion hat ein Raupenlaufwerk und keine Räder, „dass ist viel schonender für den Boden“, sagt der 25-Jährige. Um den Mähdrescher zu fahren, braucht der Fahrer die Klasse T, wie Trecker. Ein zusätzlicher Führerschein, wie zum Beispiel der für das Auto, ist nicht notwendig.

Die Gersteernte ist für dieses Jahr anscheinend gerettet. „Probleme haben die Bauern, die in Kirchhellen Erdbeeren anpflanzen“, sagt Steinmann. „Hier haben wir, im Gegensatz zu guten Jahren, 40 bis 50 Prozent Verlust gemacht“. Das Problem hier ist, dass selbst unreife, grüne Erdbeeren durch den Regen angefangen haben zu faulen.

„Es bilden sich Pilze und die befallen dann die anderen Pflanzen und machen auch die ungenießbar“. Die Erntehelfer müssen die faulen Früchte von den Pflanzen pflücken, um die Ernte wenigstens teilweise zu retten. „Das verzögert die Ernte auch wieder und treibt die Kosten in die Höhe.“

Georg Hagemann wird bis Samstag viele Tonnen Gerste einfahren, bis dahin sollen die Kirchhellener Felder abgeerntet sein.“ Noch macht es ihm Spaß, den Lexion zu fahren. „Wir werden lange fahren müssen. Täglich von 9 Uhr morgens bis 2 Uhr nachts.“ Das wird anstrengend – auch mit 400 PS.