Kirchhellen. .

Es war einmal eine westfälische Hausfrau. Sie hieß Monika Boguslawski und lebte am Tappenhof - damals, in den schönen Zeiten, bevor die Herrschaft der Bauwagen die dunkle Epoche einläutete.

Ihre vier Sprösslinge waren groß und der Kinderstube entwachsen, da langweilte sich die Hausfrau ach’ so sehr. Und so kam es, dass sie sich den ganzen Tag hinter Büchern versteckte und eifrig las. Vor allem von Märchen konnte sie nicht genug bekommen.

Eines Tages, ihre Augen waren müde vom vielen Lesen, da hörte sie im Radio eine Reportage. Im fernen Rheine solle es eine Gesellschaft geben, die Unterricht erteilte in der Kunst des Märchenerzählens. Entschlossen packte sie all’ ihr Hab und Gut in einem Säcklein zusammen, winkte zum Abschied ihren Lieben zu und verabschiedete sich für sieben lange Jahre.

In Rheine angekommen, klopfte sie an die Pforte des Klosters Schloss Bentlage, dort, wo die Europäische Märchengesellschaft ihren Sitz bezog. Hier wollte sie alles lernen, alles was sie brauche, um eine geprüfte Märchenerzählerin zu werden.

Die Jahren verstrichen. Monika Boguslawski übte derweil fleißig, lernte Märchen um Märchen. Ihre Artikulation wurde klarer, ihre Atmung kräftiger, ihre Körperhaltung besser und ihre Akzente treffender.

Über 120 Märchen verinnerlichte sie. Sie wurde eins mit ihnen, bis sie „selbst darin verschwand“. Der Ruf, sie sei zu einer gar vorzüglichen Meisterin der Erzählkunst gereift, ereilte das gesamte Land. Die Leuten wollten sie sehen, wie sie ihre wundersamen Geschichten vortrug.

Die guten Bürger versammelten sich zu ihren Füßen, wenn Monika Boguslawski in die Städte reiste, wenn sie „von Neid und Hass, von Liebe und Glück“ sprach. Diese alten Märchen zauberten ein Lächeln auf die alltagsmüden Gesichter ihrer Zuhörer, und dafür dankten die Leute ihr - von ganzem Herzen.

Sogar die Medizin interessierte sich für ihre Kunst. Die Alten, die längst Zeit und Raum um sich vergaßen, fühlten sich plötzlich in ihre Kindheitstage zurückversetzt, wenn Monika Boguslawski sie besuchte. Den Pflegern und ehrenamtlichen Helfern in den Altenheimen blieb das nicht verborgen.Auch sie wollten lernen, so zu sprechen, wie die Märchenerzählerin. Fortan trafen sie sich und übten sich in kleiner Runde an Märchen und auch an Gedichten. „Nicht den Text auseinanderreißen“, mahnte sie, oder: „mehr Haltung“- schwierig ist es, die Kunst zu erlernen.

Irgendwann einmal, so sagt Monika Boguslawski heute, will sie in einer Sternwarte eine ihrer Geschichten erzählen. Auch diesen Traum wird sie sich sicher noch erfüllen, doch davon wird dann eine andere Geschichte erzählen.