Kirchhellen. Im dritten Jahr in Folge legen Landwirte im Dorf neue Blühstreifen für Insekten an. So wollen sie demonstrieren: Wir können Artenschutz.

Es ist noch gar nicht so lange her, dass heutige Bauernsprecher Warnung vor Bienensterben durch landwirtschaftliche Monokultur als Panikmache bezeichneten. Inzwischen hat sich der Westfälisch-lippische Landwirtschaftsverband WLV zur Speerspitze der Bewegung zum Erhalt der Insektenvielfalt gemacht mit seiner Aktion „Blühendes Band durch Bauernhand“.

Seit 2018 stellt die „Stiftung Westfälische Kulturlandschaft“ Saatgut für das Anlegen von Blühstreifen an Feldrändern zur Verfügung. Für 150 Hektar im Ersten Jahr, im zweiten für 750, in diesem Jahr für rund 875 Hektar. Schon im Frühjahr 2019 bemerkte Bauer Burkhard Sagel vom Dahlberg ein Umdenken in Kollegenkreisen. „Bei diesem Thema passiert gerade richtig was.“

Blüten bis in den Herbst

Und wie: Trotz der Erhöhung der Saatmengen hatte die Stiftung dieses Jahr zuwenig geliefert, sagt WLV-Präsident Hubertus Beringmeier: „Das Saatgut war innerhalb kürzester Zeit vergriffen, die Nachfrage durch unsere Landwirtsfamilien war riesig. Jetzt wachsen die Pflanzen auf einer Gesamtfläche von zehn Millionen Quadratmetern in Westfalen-Lippe. Die Blühstreifen sind eineindrucksvolles Beispiel für gelebten Artenschutz der heimischen Landwirtschaft. Die Mischung für das ,Blühende Band’ wurde so zusammengestellt, dass sie Insekten und Wildtieren über einen möglichst langen Zeitraum Nahrung bietet, weil die verschiedenen Pflanzen bis in den Herbst hinein blühen und auch später noch Samen tragen.“

In Kirchhellen und im Vest hat der Landwirtschaftliche Kreisverband im April über die Raiffeisen-Genossenschaft das Saatgut an die Landwirte verteilt. Die Mischung bestand aus 16 einjährigen Kulturarten ohne Gras und wurde am Rand von Getreide- und Maisäckern ausgesät. Das Saatgut reiche aus für 90 Kilometer Blühstreifen, hat der Kirchhellener Friedrich Steinmann, Vorsitzender des Kreisverbandes, vorgerechnet.

Förderung über die Landwirtschaftskammer

Für den Verzicht auf einen Teil der Ernte gibt es für die Bauern über die Landwirtschaftskammer NRW eine Förderung. Sie zahlt für die Anlage von Blüh- und Schonstreifen und die Einsaat von vorgeschriebenem Saatgutmischungen 1200 Euro pro Hektar und Jahr. Voraussetzung: Die Landwirte verpflichten sich, die Blühstreifen fünf Jahre lang einzusäen. Das müssen sie nicht immer an der gleichen Stelle tun, eine jährliche Verlegung in gleichem Umfang an anderen Stellen ist möglich.

Der WLV registriert unter seinen Mitgliedern das Gefühl, öffentlich „mehr oder weniger allein für den Artenschwund in Deutschland verantwortlich gemacht zu werden“. Um das Engagement der Landwirte für den Artenschutz zu dokumentieren, haben WLV, Stiftung Westfälische Kulturlandschaft und das Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben den Wettbewerb„Wir können Artenschutz“ ins Leben gerufen. In den vergangenen Wochen haben Landwirte auf der Internetseite www.wochenblatt.com/artenschutz fast 150 Fotos mit Maßnahmen eingereicht. Bis zum 26. Juli können alle Interessierten über das beste Fotomotiv abstimmen.

16 Pflanzensorten in der Saatmischung

Das Blühstreifen-Projekt wurde initiiert durch die Stiftung Westfälische Kulturlandschaft. In der Blühmischung mit 16 Saaten finden sich unter anderem Malve, Rotklee, Phacelia, Sonnenblume, Ölrettich, Dill und Inkarnatklee.

„Mit unserer Blühmischung ziehen wir zahlreiche Insektenarten und Wildtiere an. Zusätzlich zu dem breiten Angebot an Nahrung und Rückzugsräumen, das die Streifen bereithalten, bereichern sie das Landschaftsbild“, sagt Landschaftsökologe Hendrik Specht, der das Projekt bei der Stiftung betreut.

Hermann Dedert ist Vorsitzender des WLV-Ausschusses für Natur- und Umweltschutz und berät seine Berufskollegen über Artenschutzmaßnahmen: „Wir leben als Landwirte in der Natur und mit der Natur. Deshalb verzichten wir freiwillig auf einen Teil unserer Ernte und leisten mit Blühstreifen einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt.“