Kirchhellen. Landschaftsarchitekt Peter Drecker appelliert an die Stadt: Lasst die Bäume stehen! Doch für den Fachbereich Grün sind es Gefahrenbäume.
Der Fachbereich Grün will ab November die Kastanienallee an der Hauptstraße fällen und dort Sommerlinden und Ulmen anpflanzen. Lasst die Bäume stehen, appelliert dagegen Landschaftsarchitekt Peter Drecker: Es werde Jahrzehnte dauern, bis die Hauptstraße wieder als Alle wahrgenommen werden könne.
Im September hatte die Bezirksvertretung sich zum dritten Mal binnen eines Jahres mit diesem Thema befasst. „Wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht,“ sagt Bezirksbürgermeister Ludger Schnieder. Einstimmig hatten die Politiker die Fällung genehmigt.
Kronenschnitte statt Fällungen
Peter Drecker appelliert an Politik und Verwaltung, diesen Beschluss noch einmal zu überdenken. Erstens seien nicht alle Bäume vom Bakterienbrand befallen, und zweitens ließen sich selbst befallene Bäume erhalten. An einem Baum in seinem Garten hat er es vorgemacht. „Das ist mit Aufwand verbunden, aber es geht“, sagt er. Die Gefahr, dass Äste auf die Straße stürzen, lasse sich mit Kronenschnitten abwenden.
Irgendwann einmal, gibt er den Experten zu, werden die Bäume absterben. „Aber so lange sollten wir sie doch leben lassen“, sagt er. „Wie lange wird es wohl dauern, bis die nachgepflanzten Bäume wieder aussehen wie eine Allee?“
Gekämpft und verloren
Wir haben es doch versucht, sagt der Fachbereich Grün und verweist auf den verbissenen, aber zuletzt verlorenen Kampf um die Kastanienalleen an der Stenkhoffstraße und der Parkstraße am Stadtgarten. Von den 49 Bäumen an der Hauptstraße sind elf aus Gründen der Verkehrssicherheit in den letzten drei Jahren schon gefällt worden. 16 Bäume sind deutlich sichtbar befallen, weitere elf zeigen nach Einschätzung des Fachbereichs erste Symptome.
Außerdem bleibe es nicht beim Bakterienbrand. Weitere Pilze treten auf den schon geschädigten Bäumen auf, die zur Weißfäule führten. Spätestes dann seien die Kastanien akute Gefahrenbäume, zumal an einer so viel benutzten Straße: Die Weißfäule führe dazu, dass „jederzeit Spontanbrüche größerer Kronenteile stattfinden können“. Deshalb führe an einer Fällung kein Weg vorbei. Eine Einschätzung, die sich schweren Herzens auch die Bezirksvertreter angeschlossen haben.
Auslaufmodell Kastanie?
Der Einschätzung, dass die Kastanien in Bottrop ihre beste Zeit hinter sich haben, hat sich auch der Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau NRW angeschlossen. Unter der Überschrift „Neue Bäume braucht die Stadt“ berichtet er über einen seit 2009 laufenden Langzeitversuch der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau.
Zwischenergebnis des bis 2021 laufenden Untersuchung. Noch gehört die Kastanie mit Eiche, Linde, Buche oder Platane zu den häufigsten Straßenbaumarten. Mit dem künftig erwarteten trockeneren und heißeren Stadtklima kommen vor allem die Hopfenbuche zurecht, die Zerreiche, die ungarische Eiche und die Esskastanie zurecht.
Linde, Ulme und Buche als Ersatz
Der Fachbereich Grün hat sich für die Neupflanzung an der Hauptstraße für drei andere Baumarten entschieden, die von der „Fachkommission Stadtgrün“ beim deutschen Städtetag als zukunftsresistent gelten: Sommerlinde, Resista-Ulme und Säulenhainbuche. Die haben an ihren bisherigen Standorten in Bottrop die Dürresommer 2018 und 2019 „gut überstanden“. Deshalb spricht sehr viel dafür, dass die Kinder in diesen Tagen an der Hauptstraße zum letzten Mal Kastanien sammeln.
Wenn der Baum blutet
Der Pflanzenschutzdienst der Landwirtschaftskammer NRW beobachtet den Bakterienbrand bei Rosskastanien seit dem Jahr 2006. Erkennbar sei er an „auffällig blutenden Stellen am Hauptstamm sowie an den Ästen, die später eintrocknen“.
Typisch für den Bakterienbefall seien auch „die Laubaufhellung und die teilweise kleineren Blätter infizierter Bäume“. Zu retten seien sie nicht: „Mit fortschreitendem Befall sterben die Bäume vollständig ab. Sekundäre pilzliche Erregern besiedeln den Holzkörper.“