Die aufgegebene Traditionsgaststätte ist nach Experteneinschätzung erhaltenswert, aber wegen vieler Umbauten nicht denkmalwürdig. Entscheidung im Mai im Rat
Die leer stehende Gaststätte „Dickmann-Keßler“ an der Hauptstraße 32 soll nach Einschätzung der Unteren Denkmalbehörde nicht unter Denkmalschutz gestellt werden. Die Stadt beruft sich bei diesem Vorschlag auf die Einschätzung von Hans Hanke von der Abteilung Denkmalpflege des Landschaftsverbandes: Das Gebäude sei nicht denkmalwürdig wegen der vielen Umbauten, aber „erhaltenswert“. Für einen möglichen Käufer des Gebäudes hätte diese Einschätzung keine rechtliche Auswirkung.
Der Vorschlag zur Unterschutzstellung kommt aus Berlin. Marcel Luthe, Mediator und Vorstandsmitglied der Berliner FDP, ist in Kirchhellen aufgewachsen und erinnert sich an politische Debatten zur Ortskerngestaltung vor einem Vierteljahrhundert: „Neben der Bernd-Schnock-Halle tagten wir damals in der Gaststätte Dickmann-Keßler.“ Bei seinen Besuchen im Heimatdorf verfolgt er die Entwicklung des Ortskerns gleichsam im Zeitraffer und betrachtet die Gaststätte als „zentralen Anlaufpunkt“ mit hohem Wiedererkennungswert. Als er nach der Einstellung des Gastronomiebetriebes von Umgestaltungsplänen erfuhr, regte er eine vorläufige Unterschutzstellung an und eine politische Debatte darüber, das 1830 errichtete Haus auf die Denkmalliste zu setzen.
Die Untere Denkmalbehörde hat Luthes Anregung aufgegriffen, wie es die Gemeindeordnung vorsieht, und im Februar Eigentümer, Pächterin sowie den Gutachter Hans Hanke vom Landschaftsverband zum Ortstermin an der Hauptstraße gebeten. Der Gutachter hat inzwischen sein Fachurteil abgegeben: Ganz bestimmt habe das Haus eine „städtebauliche und geschichtliche Bedeutung“ für das Dorf. Immerhin stammt es aus dem Jahr 1830, erbaut vom Zimmermann Theodor Heinrich Dickmann ursprünglich als Wohnhaus mit Werkstatt, aber bald auch schon mit Gaststätte. 1912 bekam das Haus den Anbau mit großem Saal.
Aber: Sowohl innen als auch außen stamme kaum noch etwas vom Ursprungsbau. Es habe zahlreiche Umbauten gegeben, der Dachstuhl stamme zu großen Teilen aus dem 20. Jahrhundert, das Haus habe neue Fenster, neue Fassade und den Anbau erhalten. Historische Türen und Deckenbalken gebe es nur noch im Obergeschoss des Vorderhauses. Wegen dieser „durchgreifenden und zahlreichen Umbauten“ sei ein Denkmalwert nicht zu begründen. Also: Kein Eintrag in die Denkmalliste.
Marcel Luthe will sich mit diesem Votum nicht abfinden. Mit einem Abriss „stirbt soziales Leben“. Deshalb will er einen neuen Anlauf nehmen, das Haus wie das „Gasthaus Meistertrunk“ in Wanne-Eickel aus sozialen Gründen unter Schutz zu stellen.