Vor einem Jahr bezog Familie Kewitsch ihr Innovation-City-Zukunftshaus. Die Bilanz nach einem Jahr ist positiv. Die Energiekosten sanken von 600 auf 100 Euro im Monat, der Energiebezug sank um 99 Prozent. Und auch der Komfort stimmt

„Alles gut!“ Beate und Christian Kewitsch bringen ihre Zwischenbilanz knapp auf den Punkt. Ein Jahr lang wohnen sie nun schon im ersten Innovation-City-Zukunftshaus. Ihr Haus an der Röntgenstraße ist vollgepackt mit modernster Technik. So wurde aus dem Einfamilienhaus aus den 60er-Jahren ein Plus-Energiehaus. Das heißt: Ganz ist dieses Ziel noch nicht erreicht, aber eine Reduzierung des Energiebezugs um 99 Prozent ist nach einem Jahr bereits erreicht. Anstatt 72 000 Kilowattstunden Energie bezieht das Haus nun nur noch 900 Kilowattstunden im Jahr. Rund 100 Euro zahlen die Kewitschs im Monat für Heizung und Strom – vorher waren es 600.

Zusätzlich zu der Energieeinsparung kommt der Komfortgewinn im Alltag. Die Haustechnik ist vernetzt und die Kewitschs sind begeistert von den Möglichkeiten, die das bietet. Über Apps, also kleine Computerprogramme, steuern sie die Technik, regulieren Heizungen und bedienen Rollläden. Die Umgewöhnung sei leicht gefallen, sagt Beate Kewitsch. „Wir sind sowieso technik-interessiert.“ Allenfalls ungewohnt sei es anfangs gewesen, dass man im Haus Temperaturschwankungen nicht mitbekäme, weil das Gebäude so gut gedämmt ist. „Das merken wir sogar, wenn wir Besuch haben und vielleicht auch noch Kerzen anzünden. Dann wird es spürbar wärmer“, beschreibt Beate Kewitsch die Besonderheit.

Auch sonst verändert so ein Plus-Energiehaus das Leben an manchen Punkten. Selbst vermeintliche Kleinigkeiten werden anders wahrgenommen. „Ich versuche, jetzt immer Wäsche zu waschen, wenn auch die Sonne scheint, so dass wir den selbst produzierten Strom verbrauchen“, sagt Beate Kewitsch mit Blick auf die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. Auch die Tatsache, dass zum Lüften keine Fenster geöffnet werden müssen, sei anfangs gewöhnungsbedürftig gewesen.

Anlagen sollen noch optimiert werden

Zufrieden ist auch Projektpartner RWE. Norbert Verweyen, Geschäftsführer der RWE Effizient GmbH, ist zuversichtlich, dass im kommenden Jahr der Energiebezug des Hauses auf dann 100 Prozent gesenkt wird. Dafür müssten nun im Betrieb die Komponenten und deren Zusammenspiel optimiert werden. Ungewöhnlich sei das nicht, sagt Verweyen und zieht Parallelen zu großen Zweckbauten. Da sei es üblich, dass nach dem Einzug die Arbeit an der Technischen Gebäudeausrüstung weiter gehe.

Von etwa 230 000 Euro Sanierungskosten spricht RWE. Doch Verweyen stellt auch klar, dass das Zukunftshaus nicht eins zu eins übertragen werden müsse. Hier sei alles verbaut, was technisch möglich ist. Das sei bei anderen Sanierungen nicht notwendig.

Für die Evaluation ist die Hochschule Ruhr West zuständig. Professor Viktor Grinewitschus zieht ein ähnlich positives Fazit. Es sei toll, dass hier so viel ausprobiert wurde. „Wir sind dabei, das zu erreichen, was wir erreichen wollten und haben durch die Auswertung viel gelernt.“ Denn das sei der Vorteil des Zukunftshauses. Es ist bewohnt und so kann die Technik unter Alltagsbedingungen überwacht werden. So werden sich die HRW-Mitarbeiter demnächst dem Stromspeicher im Keller widmen, um herauszufinden, wie lang eine Speicherladung im Alltag überhaupt reicht.

Das Raumklima wird über Lüftungsanlage und Heizung reguliert, die auch kühlen kann. „Das Raumklima ist wirklich gut“, lobt Christian Kewitsch. Doch was ihn besonders fasziniert, ist die Armatur in der Küche, die gefiltertes, gekühltes und auf Wunsch sogar aufgesprudeltes Wasser zur Verfügung stellt.

Gerade zu Beginn lief die Zusammenarbeit der Komponenten nicht immer reibungslos. Doch weil die Hochschule Ruhr West als Partner an Bord ist und Messdaten auswertet, fallen Fehlfunktionen auch auf. So etwa zu Beginn an der Wärmepumpe. Deren Stromverbrauch war zu hoch. Ein Fehler, den die Herstellerfirma beheben konnte. So wurde die komplexe Technik im Haus Stück für Stück optimiert, damit 2015 aus dem Altbau auch tatsächlich ein Plus-Energiehaus wird.