Heute tritt das neue Recht behinderter Kinder auf den Besuch einer Regelschule in Kraft. Doch viele Bottroper Schulen haben bereits Erfahrungen mit der Inklusion gesammelt. Das Resümee vieler Schulleiter: Die Erfahrungen sind gut, aber es fehlen Lehrer.

Am heutigen Mittwoch ist nicht nur Schulbeginn, ab heute tritt auch das neue Recht behinderter Kinder auf den Besuch einer Regelschule in NRW in Kraft. Doch Inklusion ist kein Neuland. Die WAZ hat einige Bottroper Schulen nach ihren Erfahrungen mit dem gemeinsamen Lernen befragt.

An der Grundschule Welheim wird bereits seit vier Jahren gemeinsamer Unterricht gegeben. Konrektorin Hanne Bockholt berichtet von überwiegend positiven Erfahrungen. Sie führt das auch darauf zurück, dass an der Schule „präventiv“ gearbeitet werde, das heißt, die Entscheidung über die Aufnahme eines Kindes werde beispielsweise durch Eignungsgespräche oder durch Informationen von den Kindergärten getroffen. Für die inklusiv unterrichteten Kinder seien sechs Förderschullehrer zusätzlich eingestellt worden. Trotzdem habe es manchmal Schwierigkeiten mit Kindern gegeben, deren Förderbedarf die „emotionale und soziale Entwicklung“ war. Von ihnen hätten einige zu Förderschulen geschickt werden müssen.

Auch an der Schillerschule werden Kinder mit Förderbedarf unterrichtet, beispielsweise gehörlose oder sehbehinderte. Man habe sich in dem Bereich „sehr weit auf den Weg gemacht“, so Schulleiter Detlef Baier. Bisher habe das normale Lehrerpersonal dafür ausgereicht, doch zum kommenden Schuljahr werde eine Sonderpädagogin den Lehrkräften zur Seite stehen.

Solch eine Verstärkung hätte auch die Fürstenbergschule gut gebrauchen können. Laut Schulsekretärin Nicole Beckmann macht diese bereits im dritten Jahr Erfahrungen mit der Inklusion. Eine speziell ausgebildete Lehrerin habe zur Verfügung gestanden, doch dies sei „zu wenig“ gewesen. Die Erfolge der Inklusion seien „zweischneidig“, es habe „Fortschritte wie Rückschritte“ gegeben, so Beckmann.

An der Gustav-Heinemann-Realschule seien in den letzten Jahren Kinder auch mit ADS (Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom) sowie mit „emotional-sozialem Unterstützungsbedarf“ eingegliedert worden, erklärt Schulleiter Dirk Brinkmann. Die Anzahl der Sonderschullehrer sei „im rechtlichen Rahmen gewesen.“ Bisher habe das gut geklappt, vor allem weil die Schule „in ständigem Kontakt mit dem schulpsychologischen Dienst und Sprachpädagogen“ stehe und somit ein aktiv kooperierendes Netzwerk aufgebaut habe. Zum kommenden Schuljahr würden drei Kinder aufgenommen, bei denen ein Förderbedarf bei der emotional-sozialen Entwicklung bestehe, so Brinkmann. Diese würden eine „Sonderbetreuung pro Tag in Absprache mit den Fachkollegen“ erhalten. Trotzdem betont er: „Der Ruf nach Unterstützung ist da“, mehr Personal sei „wünschenswert.“

Noch keine Erfahrung mit Inklusionsklassen hat die Marie-Curie Realschule gemacht. Aber im Zuge der neuen Regelung in NRW „wird es auch hier zum kommenden Schuljahr eine Inklusionsklasse in der Jahrgangsstufe 5 geben“, teilt Schulleiterin Marlies Overdiek mit. In der Klasse würden insgesamt 25 Schüler sein, von denen sieben Kinder unterschiedlichen Förderbedarf hätten. Mitbetreut würden diese von einem „Förderschullehrer mit voller Stundenzahl.“

„Inklusion ist längst ein Politikum“

Mit Inklusion und Förderunterricht kennt sich der Schulleiter der Willy-Brandt-Gesamtschule, Jochem von Schwerdtner, gut aus. An seiner Schule gibt es seit rund neun Jahren „integrativen Förderunterricht“, wie die Inklusion damals noch genannt wurde. Aus seinen Erfahrungen schließt er, dass die neue Regelung für viele Schulen Schwierigkeiten bringen werde, weil entweder das „Know-How, oder schlicht das Personal“ fehle.

Zum kommenden Schuljahr würden an der Gesamtschule acht neue Kinder mit Förderbedarf aufgenommen, „doch mehr Förderschullehrer gibt es nicht“, bemängelt von Schwerdtner. Das Problem liegt aus seiner Sicht darin, dass Schulpolitik Landespolitik sei. Die Bezirksregierung in Münster prüfe demnach, wie viele Schüler an der jeweiligen Schule inklusive Betreuung benötigten und vergebe dann die „Stundenanteile an Förderschullehrern“, wie sie im Personalschlüssel des Förderplans festgelegt sind. Das sei bedauernswert, denn „als Gesamtschule wollen wir Inklusion“, vor allem wegen der positiven Erfahrungen. Doch gleichzeitig „erwarten wir auch die entsprechenden Ressourcen.“ Die „Schulleitervereinigung der Gesamtschulen“, in der auch Jochem von Schwerdtner mitwirkt, habe zwar mehrere Anfragen an das Landesministerium für Schule und Weiterbildung und an Ministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) gestellt, doch die Antwort sei stets der Verweis auf fehlende finanzielle Mittel gewesen.

So sei „Inklusion längst zum Politikum“ geworden, zwischen Schulen und Kommunen sowie zwischen Kommunen und dem Land.

Neue Regelung betrifft Gymnasien bisher noch nicht

Die Gymnasien wurden vom Schulträger zum kommenden Schuljahr zwar noch nicht für Inklusionsklassen eingeplant, doch sie haben durchaus Erfahrungen mit einzelnen inklusiv betreuten Schülern gemacht.

Am Vestischen Gymnasium „wurden schon Kinder mit Sprachschwächen, neurologischen Erkrankungen, Lernschwierigkeiten oder ADS“ unterrichtet, erzählt Schulleiter Matthias Plaputta. Dabei hätten sich diese „völlig problemlos integriert“. Denn die Strategie der Schule sei es gewesen, „gleich zu unterrichten“. Spezielles Personal sei deshalb auch nicht erforderlich gewesen.

Ähnliches berichtet der Schulleiter des Heinrich-Heine-Gymnasiums, Mark Pietrek. Einzelne Kinder mit einer Lese- oder Sehschwäche habe es gegeben, die dann einen „entsprechenden Nachteilsausgleich“ erhielten, beispielsweise in Form von eigenen Klausurzeiten. Unabhängig davon halte die Schule regelmäßig Kontakt zur Adolf-Kolping-Schule und starte gemeinsame Projekte, wie zuletzt über die Mode der 50er-Jahre.