Bottrop. . Peter Kruck erhielt einen Sonderpreis beim Wettbewerb des Forums Geschichtskultur. Der Bottroper beschreibt den Strukturwandel des Ruhrgebiets parallel zu dem seiner Familie als „Kruckturwandel“.
Die so typische Ruhrgebiets-Tonlage klingt ein wenig heraus, die große Liebe zum Ruhrgebiet ist unüberhörbar. Und mit dieser Liebe zum Ruhrgebiet gewann Dr. Peter Kruck jetzt einen Sonderpreis als Bottroper Teilnehmer beim Wettbewerb des „Forums Geschichtskultur an Ruhr und Emscher“. Kruck erzählt in seinem Essay den Strukturwandel des Ruhrgebiets ‘mal etwas anders, er zieht eine Parallele von den Veränderungen der Region zu denen, die sich in seiner Familie abspielten. Ruhrgebietsgeschichte am Beispiel einer Familiengeschichte.
Strukturwandel in der Familie? „Meine Großeltern waren noch mehr am Mittelalter als wir heute an der Zeit meiner Großeltern“, sagt der freiberufliche (und promovierte) Medienwissenschaftler, Publizist und Wissenschaftslektor. Nicht nur die äußeren Bedingungen hätten sich verändert, auch Einstellungen der Menschen, die Mentalität.
Er kann sich auch noch genau an den Tag erinnern, an dem ihm das richtig bewusst wurde. „Ich war so 13, 14“, sagt er. „Ich war gerade bei meinen Großeltern, da hat mir ein Freund gesagt: Heute Nacht musst du unbedingt ZZTop im Fernsehen sehen“. Die Bluesrockband sollte um halb drei morgens im WDR-Rockpalast auftreten. „Bei meinen Großeltern“, erinnert sich der 48-Jährige voller Dankbarkeit, „durfte ich alles“. Seine Großmutter sei „so echt Anarcho gewesen“. Und dann hat es bei ZZTop offenbar Klick gemacht. „Ich stellte fest: Kurz vorher hast du noch mit deiner Oma Ernst Stankovski und ,Erkennen Sie die Melodie’ geguckt und jetzt ZZTop. Das war der Abnabelungsprozess.“
Fernseh-Zuschauer kennen ihn aus etlichen Quiz-Shows
Ebenso wie er und seine Generation habe auch das Ruhrgebiet vom Strukturwandel insgesamt profitiert, davon ist der Medienprofi Peter Kruck überzeugt. „Es ist kein Verlust, wenn die letzten Zechen schließen“, sagt er. Die Arbeit unter Tage sei extrem schwer. „Ich war unter Tage und es war die Hölle.“ Wenn da nicht die andere Seite wär, der Verlust der Arbeitsplätze für viele Menschen. Ja, er weiß es, dass es schlimm wird. Auch das gehört zum Strukturwandel.
Gewonnen hat Peter Kruck den Preis beim Geschichtswettbewerb wohl nicht nur wegen der originellen Idee, sondern auch, weil er eine auffallend starke rhetorische Begabung besitzt. Die hat er als Medienwissenschaftler zum Beruf gemacht. Aber er setzt sie auch nebenberuflich ein – im Fernsehen bei etlichen Quiz-Shows. Bei einer der ersten – „Riskier was!“ – habe er 1200 Mark gewonnen. 2011 holte er bei „Wer wird Millionär?“ 125 000 Euro und bei „Der klügste Deutsche 2011“ schaffte er es bis ins Finale.
Vom Meister-Hauer zum freiberuflichen Medienwissenschaftler, Wissenschaftslektor – und das parallel zu einer Region, die ebenfalls gerade dabei ist, die letzten Zechen zu schließen, sich vom Bergbau ganz zu verabschieden.
Was bleibt vom Bergbau? Ihm fällt spontan die fiktive Figur Herbert Knebel ein, dessen rustikale Art. Es sei kein Zufall, dass es hier eine ausgeprägte Comedian-Szene gebe. „Das harte Leben hat den Leuten Bodenständigkeit und Mutterwitz mitgegeben.“ Strukturwandel – auch auf dieser Ebene.
Sein Großvater habe noch als Meister-Hauer auf der Zeche gearbeitet. „Er hat sich kaputt malocht.“ Die Großeltern haben ihn stark geprägt, er sagt das so: „Das ist täglich gelebte Dankbarkeit“.
Sein Vater jedoch habe das Kumpel-Sein nicht mehr mitmachen wollen. Noch ein „Abnabelungsprozess“, der erste in der Familie. Der Vater habe bei den Chemischen Werken Hüls Laborant gelernt, sei Industriemeister geworden und Pressesprecher bei der Hüls AG. „Das kam in der Familie erst nicht so gut an“, weiß Peter Kruck noch, es habe geheißen: Glaubst du, dass du ‘was Besseres bist? Allerdings, wie das so ist in Familien: Es gab auch Unterstützung. „Mein Vater hat eine 1 A Karriere hingelegt. Das wäre heute so gar nicht mehr möglich als Volksschüler“. „Kruckturwandel“ pur. Im Ruhrgebiet habe man sich ebenfalls auch zur chemischen Industrie hin orientiert, zur Produktion von Kunststoff. Strukturwandel mal zwei.
Er und seine Generation, davon ist er fest überzeugt, hätten über alle Maßen von diesem Strukturwandel profitiert. „Ich bin Jahrgang 1960“, sagt er, „wir wurden zur besten Zeit und am besten Ort der Weltgeschichte geboren.“ Er habe noch zum Spielen rausgehen können und Facebook habe es noch nicht gegeben. „Die Bedingungen für eine solche Kindheit existieren nicht mehr.“