Ohne eine feierliche Einweihung wurde am 18. Juli 1914 der Rhein-Herne-Kanal am Hafen Prosper in Betrieb genommen. Bis heute ist vielen Bottroper Bürgern die wirtschaftliche Bedeutung des Kanals nicht präsent.

Der Rhein-Herne-Kanal wird 100 Jahre alt. Seit Mai feiert das Ruhrgebiet den runden Geburtstag mit viel Prominenz und noch mehr Programm. 1914 aber gab es noch nicht mal eine Eröffnungsfeier. Nach einem Studium der Archiv-Bestände sagen Stadtarchivarin Heike Biskup und Stadt-Sprecher Andreas Pläsken: „Die wirtschaftliche Bedeutung des Kanals ist vielen Bottropern bis heute nicht klar.“

Die Jungfernfahrt auf dem Kanal, der zwischen 1906 und 1914 gebaut wurde als Verbindung zwischen dem Rhein und dem westdeutschen Kanalsystem, war der Bottroper Volkszeitung nur ein paar dürre Zeilen in der Rubrik Vermischte Meldungen wert: Das Lastschiff „Johanna“ habe am 18. Juli am Hafen Prosper 680 Tonnen Kohle geladen und sich auf den Weg gemacht. In gleicher Länge berichtete die Redaktion über die Festnahme einer Taschendiebin nach einem Diebstahl einer Geldbörse mit zwölf Mark Inhalt. Was erschwerend hinzukam: „Bei der Festnahme gab sie den Namen einer Frau aus Osterfeld an, mit der sie früher zusammen gewohnt hat.“

Ein typisches Beispiel, findet Heike Biskup: Die Kanal-Einweihung ging unter in der nationalen Erregung, die Wochen später in den Ausbruch des Ersten Weltkrieges mündete. Der wiederum sorgte dafür, dass die geplante Kanaleinweihung 1915 durch Kaiser Wilhelm II. ausfiel: Seine Majestät hatte einen Krieg zu gewinnen, was bekanntlich furchtbar endete. Auch später wurde der Kanal öffentlich kaum wahrgenommen, obwohl der Leitartikler der Volkszeitung 1936 auf dessen „unermessliche Dienste“ hinwies.

Der Mensch ist wohl so: Er lernt Dinge erst dann zu schätzen, wenn sie ihm verloren zu gehen drohen. Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Kanal durch Bombentreffer schwer beschädigt. Prompt war 1954 der 40. Kanalgeburtstag der erste, der öffentlich groß wahrgenommen wurde, ein Jahr später gefolgt von der triumphierenden Schlagzeile: „Bombenschäden so gut wie beseitigt“. Eine Debatte um das drohende Aus für den Kanal (Schlagzeile: „Nur schneller Ausbau kann den Kanal retten“) mündete 1963 in eine große Rettungsaktion.

Der „Bottroper Berg“ wurde damals ausgekoffert: Bergschäden hatten den Kanal auf Karnaper Seite so weit absacken lassen, dass er auf Bottroper Gebiet zu niedrig geworden war. Statt zum Neubau einer Schleuse entschieden sich die Betreiber zum „Abbaggern des Bottroper Bergrückens“. Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Emscherpark (IBA) wurde erstmals über den Kultur- und Freizeitwert des Kanals diskutiert, zum Beispiel bei der Freigabe für Motorboote. Im Zuge des Emscherumbaus entwickelte sich dann eine touristische Vision vom Kanal.

Seit 2010 gibt es immer mehr Kultur am Kanal

Schon lange hat die Ruhr Tourismusgesellschaft den Freizeitwert des Kanals erkannt. Er wird in den kommenden Jahren durch den Emscherumbau noch zunehmen, weil der auch die Aufenthaltsqualität auf der Emscherinsel zwischen beiden Gewässern verbessern wird.

Die Ansage lautet: Der Kanal bleibt eine wichtige Verkehrsader, wird aber zunehmend auch zur touristischen Passage „mit vielen Erlebnismöglichkeiten im Bereich Sport und Freizeit.“ Seit dem Kulturhauptstadtjahr 2010 gewinnt der Kanal zunehmend an Profil als Kunst- und Kulturroute. Durch die Triennale „Emscherkunst“ 2010 und 2013, aber auch durch das interkommunale Projekt „Kultur-Kanal“, zu dem sich die zehn Anrainerstädte bereits anlässlich der Kulturhauptstadt 2010 zusammengeschlossen haben.

Höhepunkt der Feiern zum 100. Geburtstag wird am 30. August die Sperrung des Kanals für die motorisierte Schifffahrt, analog zur Sperrung der A 40 im Kulturhauptstadtjahr. Vereine, Museen und Freizeitanbieter der Anrainerstädte veranstalten dann an verschiedenen Orten zahlreiche Aktionen am und auf dem Rhein-Herne-Kanal. Mit dem „!Sing - Day of Song“ wird das Jubiläumsjahr am 27. September beendet. Zum Auftakt der KlimaExpo.NRW verwandelt sich der KulturKanal mit einzelnen Chororten in den „Chorkanal“.