Bottrop. . Beim WAZ-Medizinforum im Bottroper Knappschaftskrankenhaus zeigten Experten, was bei Adipositas getan werden kann. Auch eine Operation kann eine Lösung sein.

Es gab Zeiten, da wurde Leibesfülle als Zeichen von Wohlstand bewundert. Heute weiß man, dass sich Übergewicht negativ auf Lebensqualität und Gesundheit auswirkt. Zum Auftakt des WAZ-Medizinforums „Die Last mit dem Gewicht“ erinnerte Moderator und WAZ-Redaktionsleiter Michael Friese daran, dass stark übergewichtige, adipöse Menschen eine verkürzte Lebenserwartung haben. Wie man dagegen angehen kann, zeigte die Expertenrunde im Knappschaftskrankenhaus.

Vorweg: Übergewicht ist ein Massenphänomen. Laut Dr. Jörg Celesnik, leitender Oberarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, sind weltweit 2,1 Milliarden Menschen betroffen. In Deutschland sind gut die Hälfte der Menschen übergewichtig, ein Fünftel sogar adipös. Wobei man ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 von Adipositas spricht, oft übersetzt als Fettleibigkeit. Als Ursachen nannte Dr. Celesnik ein Überangebot (falscher) Nahrungsmittel, Bewegungsmangel, medizinische Faktoren, Vererbung. Zu den Folgen zählen Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Leberverfettung, Typ-II-Diabetes.

Wo Abnehmen geboten ist, gilt: „Ich muss Kalorien sparen und die Bewegung steigern“, so Diätassistentin Sarah Geil. Doch Essen stelle für uns mehr dar als die reine Nährstoffzufuhr (Genuss, Geselligkeit, Ersatzbefriedigung), sei mit Gewohnheiten verknüpft. Diese zu überwinden kostet Kraft. Hilfe verspricht ein Gewichtsreduktionskurs im Gesundheitshaus Quellenbusch. Einen weiteren Knackpunkt kennt Dr. Stephan Becker, Ernährungsmediziner in der speziell für Adipositas-Patienten ausgestatteten hausärztlichen Gemeinschaftspraxis Osterfeld: „Das Thema ist schambesetzt, das eigene Gewicht wird häufig bagatellisiert.“ Wird eine Behandlung zur Gewichtsreduktion in Angriff genommen, sei auch eine psychotherapeutische Begleitung und die Einbeziehung der Familie wichtig.

Verständnis, Unterstützung, Gemeinschaft, Erfahrungs- und Informationsaustausch bietet eine Selbsthilfegruppe, ergänzte Simode Rduch, die neue Adipositas-Koordinatorin am Knappschaftskrankenhaus und Mitbegründerin der Adipositas-SHG. Diese hat u.a. eine Sportgruppe initiiert.

Sind alle anderen Versuche fehlgeschlagen, kann schließlich eine Operation helfen und zugleich zur Abnahme von Krankheiten wie Diabetes führen. Chefarzt Dr. Klaus Peitgen stellte minimalinvasive OPs vor: Zunächst das Magenband, ein mit Luft befüllbarer Plastikreifen, der über den oberen Teil des Magens gelegt wird und ihn so verkleinert. Beim Magenschlauch wird ein Teil des Magens entfernt. Und beim Bypass wird der größte Teil des Magens sozusagen abgekoppelt und eine direkte Verbindung zum ebenfalls teilweise kurzgeschlossenen Dünndarm geschaffen. Das alles erzeugt eine schnell einsetzende Sättigung. Dr. Peitgen: „Statt drei Teller Spaghetti schafft man noch eine halbe Tasse.“ Wichtig: Jüngst aktualisierte Leitlinien legen die Bedingungen fest, wann operiert werden kann.

Besucher des WAZ-Medizinforums stellten ihre Fragen 

Die Besucher hatten wieder Gelegenheit, Fragen zu stellen.

Wer entscheidet, welche OP (Band, Schlauch, Bypass) gemacht wird?

Ganz klar: der Chirurg! „Ich würde das natürlich mit ihnen besprechen“, so Chefarzt Dr. Klaus Peitgen. Die meisten Patienten im Knappschaftskrankenhaus bekämen einen Magen-Schlauch. Wer aber z.B. schon vor der OP unter starkem Sodbrennen leide, für den sei der Bypass richtig.

Kann man nach der OP alles essen?

Im Wesentlichen schon, so Dr. Klaus Peitgen. Spargel aber z.B. werde aufgrund seiner Struktur schlecht vertragen.

Ist die Einführung eines Magenballons eine Alternative?

Der Ballon verhilft zum Abnehmen. Aber, so Dr. Klaus Peitgen: Er muss irgendwann wieder entfernt werden. „Und dann nehmen sie in kürzester Zeit das gleiche zu, das sie vorher abgenommen haben.“

Gibt es Listen, welche Hausarztpraxen Zusatzangebote für Adipositas-Patienten haben?

„Am besten fragt man bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung nach“, erklärte Hausarzt Dr. Stephan Becker. Die Online-Auftritte der Kassenärztlichen Vereinigungen böten auch Suchen an, bei denen gezielt nach Hausärzten mit Zusatzbezeichnung (z.B. Ernährungsmedizin) gefahndet werden könne. Internetseite der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen Lippe: www.kvwl.de

Muss die Teilnahme an Adipositas-Sportkursen selbst bezahlt werden?

Das sei unterschiedlich, so Adipositas-Koordinatorin Simone Rduch. So gebe es in Bottrop ein Sportangebot im Fitness-Studio, das als Reha-Sport über die Krankenkasse teilfinanziert werde.