Bottrop. Der Vater von Egon Werner gehörte zu den ersten Trähern des Eisernen Kreuzes in Bottrop im Ersten Weltkrieg. Seine Begeisterung galt der Technik, der Fotografie, der Fliegerei. Der Krieg machte ihn zum Pazifisten und später auch zum Gegner der Nazis.
Paul Werner hat den Ersten Weltkrieg vom Tag der Mobilmachung 1914 an beiden Fronten nicht nur mit- sondern auch - wenngleich leicht verletzt - überlebt. Sein Sohn Egon Werner hütet bis heute das Album mit Bildern von der russischen Grenze bis zu Aufnahmen vom Mittelschiff der riesigen Kathedrale von Laon in Nordfrankreich, die 1917 als Lazarett diente und voller weißer Krankenbetten war. Ein ebenso seltenes, wie bewegendes Zeugnis für die große Zahl der Opfer, die diese vier Jahre forderten.
Egon Werner stellt diese Sammlung seines Vaters, der später als Bürokaufmann auf der Zeche Prosper und als Dozent für Kurzschrift an der Bottroper VHS arbeitete, dem Stadtarchiv für die große Ausstellung über den Ersten Weltkrieg in Bottrop zur Verfügung. Diese Bilder von Laon und den Stellungen in Nordfrankreich dürften dabei sicherlich auch in der Partnerstadt Tourcoing auf besonderes Interesse stoßen, die die Ausstellung ebenfalls zeigen wird. Paul Werner gehörte auch zu den ersten Bottropern, die bereits kurz nach Kriegsbeginn mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet wurden. So liest man in der Ausgabe vom 23. September 1914 in der Bottroper Volkszeitung (BVZ) unter der Überschrift „Bottroper Ritter des Eisernen Kreuzes: Musketier Paul Werner, Oberstraße 17, wurde nach dem Gefecht bei Tannenberg am 23. August 1914 mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet.
„Eine Ehre, die für meinen Vater wohl noch während des Krieges schon keine mehr war“, so Egon Werner. Allerdings kam die Technikbegeisterung des Vaters, der als passionierter Hobbyfotograf immer die recht schwere Platten-Kamera bei sich hatte, auch an der Front zum Zuge. Nach einer Ausbildung zum Fernmelder diente er bei einer entsprechenden Kompanie. Aber auch die Verleihung des Eisernen Kreuzes I. Klasse 1917 sollte an der im Grunde anti-militärischen Haltung des Vaters nichts ändern.
„Später sagte er immer zu mir, ich solle mich bloß nicht freiwillig zum Kriegsdienst melden“, erinnert sich Sohn Egon, der mit knapp 16 gegen Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 fast selbst eingezogen worden wäre. „Mein Vater wusste, was von den Nazis zu halten war, er hatte früh ,Mein Kampf’ gelesen und meinte, die Westmächte hätten danach auf jeden Fall auf einen neuen Krieg gefasst sein müssen, ebenso, wie auf die Verfolgung der Juden“. Die strikte Ablehnung braunen Gedankengutes habe der Vater ihm von Anfang an mit auf den Weg gegeben.
„Mein Vater war technikbegeistert und wollte unbedingt fliegen“
Auch wenn Egon Werners Vater „mit Militär nichts an Hut hatte“, wie der heute 84-Jährige es ausdrückt: „Die Technik ließ meinen Vater nicht los.“ Als sein Onkel Max den Vater mit einem Aufklärungsflugzeug an der Front besuchte, stand fest, dass auch er sich zum Piloten ausbilden lassen wollte. Die Luftwaffe steckte damals noch in den Kinderschuhen und während des Ersten Weltkrieges arbeitete man überall in Europa daran, die schwerfälligen und abschussgefährdeten Aufklärungs-Ballons durch kleine, schnelle Flugzeuge zu ersetzen.
„Mein Vater meldete sich zur Luftwaffe, begann dort eine weitere Ausbildung, die er aber bei Kriegsende 1918 noch nicht beendet hatte“, erzählt Egon Werner.
Die Familie war nicht nur im Ruhrgebiet verwurzelt. Ein Onkel lebte in New York, ein anderer in Australien. Beide sahen die Entwicklung in Nazi-Deutschland aus der Distanz zunächst positiv, wollten der Kritik an der Diktatur und den Anti-Militarismus von Egon Werners Vater nicht teilen. Erst als die australische Cousine, die ein Stipendium für die Uni Bonn hatte, 1939 gerade noch mit dem letzten Schiff von Genua aus Europa verlassen konnte, der New Yorker Onkel aber samt Söhnen in Deutschland festsaß, dämmerte es den Verwandten. „Beide Vettern, sie waren älter als ich, wurden im Zweiten Weltkrieg eingezogen, einer starb, der andere verlor einen Arm“, so Egon Werner.
Er selbst hat damals wie heute die warnenden Worte seines Vaters im Ohr: „Melde dich nie freiwillig zum Kriegsdienst.“ Nein, feige sei sein Vater nie gewesen, sagt Egon Werner, der heute an der Hünefeldstraße lebt. Das damalige Elternhaus an der Zeppelinstraße rettete der Vater bei einem Bombenangriff 1944 mit ein paar Eimern Wasser. „Sonst wäre alles verbrannt - auch das Fotoalbum.“