1. Mai: Der Himmel über Bottrop ist blau, Fahnen flattern, Motorräder knattern, die Blaskapelle schmettert und Menschen aus Parteien, Gewerkschaften Arbeitnehmervereinigungen und Mitbürger marschieren über die Osterfelder Straße zum Berliner Platz. Eigentlich alles wie immer, möchte man sagen.
Nur: Diese Maikundgebung liegt mitten im Endspurt von Kommunal- und Europawahlkampf. Klar, dass die Sozialdemokratie da den klassischen Schulterschluss mit dem DGB zelebriert. Für Polit-Glanz sorgt die Mairednerin, Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. Sie stammt aus NRW, tourt derzeit durch die Region und muss, wie einige im neuen Merkel-Kabinett, sich Popularität verschaffen.
Am Ende schmettert sie lauter und textsicherer als manch Bottroper Genosse den alten Arbeiterschlager „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit!“. Zuvor arbeitet sie sich sorgfältig das Themenspektrum dieses Tages. 2014 solle das Jahr der Arbeitnehmer werden, ein Baustein dafür sei die Tarifpolitik. Denn beste Tarifabschlüsse nützten nichts, wenn Arbeitgeber sich mehr und mehr von Tarifverträgen verabschiedeten. „Da muss die Politik gegensteuern!“ Das helfe dann auch den Unternehmen, die keine Lohndumping betrieben. Applaus. Der Mindestlohn: Absolut überfällig angesichts der Wirtschaftsgeschichte in diesem Land und ausbaufähig.
Auch die Rente mit 63 nach 45 Arbeitsjahren, die Gleichstellung der Geschlechter und die von ihren Berliner Kollegen Manuela Schwesig und Heiko Maas (Arbeit, Justiz) favorisierte Frauenquote stehen auf Hendricks’ Mai-Agenda. Zwischendurch schwächelt die Technik. „Hier stimmt was nicht“, vermutet die Ministerin. DKP-Mitglieder links vom Podium können nicht widerstehen: „In der Tat!“, (ver-)hallt es prompt Richtung Tribüne.
Mit der Energiepolitik, dem Ausstieg aus der Atomenergie aber auch der schrittweisen Reduzierung der Nutzung fossiler Energieträger schwenkt die Ministerin auf Bottroper Kernthemen. Natürlich antwortet sie nicht direkt auf die Begrüßung des Bottroper DGB-Vorsitzenden Reinhard Thater, der die Entscheidung, den Bergbau 2018 auslaufen zu lassen, immer noch als falsch bezeichnet. Thater fordert noch einmal die Kohle als ergänzende Energiequelle. Hendricks bleibt ganz geschmeidig: Atomausstieg, Energiewende: Umweltschutz und dessen Bezahlbarkeit für die Bürger dürfen sich nicht ausschließen. Das sage man auch in Berlin. Überhaupt scheinen die Genossen aus der Hauptstadt fast allgegenwärtig. Selbst die Ukraine-Krise darf nicht fehlen: „Wie gut, dass Wir Frank-Walter Steinmeier als Außenminister haben.“ Wahlkampf pur.