Bottrop. Barbara Hendricks, Bundesminsterin u.a. für Umwelt und Rekatorsicherheit, kamzur Mai-Rede auf dem gut besuchten Berliner Platz nach Bottrop. Dabei arbeitete sie sich durch die Themen der DGB-Agenda für dieses Jahr und forderte keine Ausnahmen beim gesetzlichen Mindestlohn, die komplette Gleichstellung von Mann und Frau auch in der Bezahlung und befürwortete die Rente mit 63 nach 45 Erwerbsjahren. Natürlich gab es viel Schulterklopfen für die Berliner Amtskollegen Schwesig, Maas und Steinmeier.

1. Mai: Der Himmel über Bottrop ist blau, Fahnen flattern, Motorräder knattern, die Blaskapelle schmettert und Funktionäre aus Parteien, Gewerkschaften und Arbeitnehmervereinigungen, Abgeordnete und Mitbürger marschieren über die Osterfelder Straße zum Berliner Platz. Eigentlich alles wie immer, möchte man sagen. Vielleicht lockte dieser Sonnentag aber auch mehr Bottroper als sonst in die City, denn das lang gezogene Rechteck des Berliner Platzes zeigte sich ziemlich gut gefüllt.

Nur: Diese Maikundgebung liegt mitten im Endspurt von Kommunal- und Europawahlkampf. Klar, dass die Sozialdemokratie da den klassischen Schulterschluss mit dem veranstaltenden DGB zelebriert. Für Polit-Glanz sorgt die Mairednerin, Bundesministerin (für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit) Barbara Hendricks. Sie stamt aus NRW, tourt derzeit auch durch Städte der Region und muss, wie so einige im noch jungen Berliner Merkel-Kabinett, sich erst noch Popularität verschaffen.

Aber am Ende schmettert sie lauter und textsicherer als manch Bottroper Genosse oder Genossin den alten Arbeiterschlager „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit!“. Zuvor arbeitet sie sorgfältig das Themenspektrum dieses Tages durch. 2014 solle das Jahr der Arbeitneher werden, ein baustein dafür sei die Tarifpolitik. Denn beste Tarifabschlüsse nützten nichts, wenn Arbeitgeber sich mehr und mehr von Tarifverträgen verabschiedeten. „Da muss die Politik gegensteuern!“ Das helfe dann auch den Unternehmen, die keine Lohndumping betrieben. Applaus. Der Mindestlohn: Absolut überfällig, ein wichtiger Baustein angesichts der Wirtschafts- und Sozialgeschichte in diesem Land und ausbaufähig. Hendricks ganz auf der Linie des scheidenden DGB-Chefs Michael Sommer.

Rente mit 63 - Gleichstellung der Geschlechter

Auch die Rente mit 63 nach 45 Jahren der Beschäftigung und Einzahlung, den geplanten Wegfall der Pflichtentscheidung für eine Staatsbürgerschaft bei jungen Leuten mit Migrationshintergrund, Gleichstellung der Geschlechter und die von ihren Berliner Kollegen Manuela Schwesig und Heiko Maas (Arbeit und Justiz) gepuschte Frauenquote stehen auf Hendricks’ Mai-Agenda. Zwischendurch schwächelt die Technik. „Hier stimmt was nicht“, vermutet die Ministerin. DKP-Mitglieder links vom Podium können nicht widerstehen: „In der Tat!“, (ver-)hallt es prompt Richtung Rednertribüne.

Hendricks berichtet von ihren Abstechern nach Dortmund oder Duisburg und verspricht, angesichts der von Zuwanderern aus Osteuropa, die in so genannten Problemhäusern in Problemvierteln von Spekulanten ausgenommen werden, Abhilfe zu schaffen.

Mit der Energiepolitik, dem Ausstieg aus der Atomenergie aber auch der schrittweisen Reduzierung der Nutzung fossiler Energieträger schwenkte die Ministerin rasch wieder ein auf Bottroper Kernthemen.

Energiewende muss bezahlbar bleiben

Natürlich antwortet sie nicht direkt auf die Begrüßung des Bottroper DGB-Vorsitzenden Reinhard Thater, der die Entscheidung, den Bergbau 2018 auslaufen zu lassen, immer noch als eklatant falsch bezeichnete. Thater fordert noch einmal die Kohle als ergänzende Energiequelle und mahnt auch, angesichts des 10. Jahretages der Osterweiterung der EU, Schleppern und Ausbeutern das Handwerk zu legen, sieht den Gesamtprozess aber als gelungen an, Horrorvisionen hätten sich nicht bewahrheitet. Hendricks bleibt da ganz geschmeidig: Atomausstieg, Energiewende: Umweltschutz und dessen Bezahlbarkeit für die Bürger dürfen sich nicht ausschließen. Das sage man auch in Berlin. Überhaupt scheinen die Genossen aus der Hauptstadt fast omnipräsent. Selbst die Ukraine-Krise darf nicht fehlen: „Wie gut, dass Wir Frank-Walter Steinmeier als Außenminister haben.“ Auch so kann Schützenhilfe vor Ort klingen.

Eintratg ins Goldene Buch der Stadt

Nach knackigem Aufruf „Geht zur Europawahl, überlasst das Feld nicfht den Europagegnern von Rechts und Links“, machte sich Barbara Hendricks mit ihrem Parteigenossen OB Bernd Tischler auf ins Rathaus. Dort wartete bereits aufgeschlagen das Goldene Buch der Stadt. Ein schöner Pflichttermin beim ersten Besuch der Bundesministerin in „der schönsten Stadt der Metropole Ruhr“. Bernd Tischler kann es nicht lassen. Er ist und bleibt Bottoper Lokalpatriot. Und die Kapelle auf dem Platz intoniert: „O, when the saints go marching in“. So weihevoll kann ein 1. Mai sein.