Bottrop. Dennoch stufen Wirtschaftsforscher ihren Zustand mit Blick auf die Finanzlage als relativ stabil ein.Auf den zweiten Blick zeigt die Untersuchung aber auch, dass hier längst nicht alles zum besten steht.

Auf den ersten Blick ist Bottrops Allgemeinzustand stabil. So lautete das Fazit der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nord Westfalen, die die Städte im Umkreis mit Blick auf deren Finanzen und Wirtschaftskraft einem Stresstest unterzogen hatte. Auf den zweiten Blick macht die IHK-Diagnose allerdings auch Sorgen. Die Untersuchung zeigt außerdem: Den Stress machen nicht immer nur die anderen - dazu ein paar Fingerzeige.

G Die Wirtschaftskraft entwickelt sind günstig - hier nicht! Die Mitarbeiter des von der IHK beauftragten Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung messen dies anhand des Bruttoinlandsproduktes. Dieses BIP habe sich besser als sonst im Land entwickelt. In Bottrop ist diese stärkere Dynamik aber nicht zu spüren. Hier liegt das BIP je Einwohner mit einem Plus von 2,1 Prozent etwas unter dem NRW-Durchschnitt (2,2) und je Erwerbstätigen mit plus 1,7 Prozent exakt im Landesschnitt.

G Die Stadtverwaltung macht zwar weniger Schulden - aber im selben Zeitraum haben sich die Kassenkredite verzehnfacht. Sie dienen eigentlich - so ähnlich wie ein Dispo-Kredit für Privatleute - dazu , kurzfristige finanzielle Engpässe zu überbrücken. Die Stadt deckt damit aber längst ihre strukturellen Defizite. Das sind ausgerechnet jene Schulden, denen eben keine Investitionen gegenüberstehen. So ist der massive Anstieg der gesamten Verschuldung von 1381 Euro je Einwohner im Jahr 2000 auf 2803 Euro je Bewohner in 2012 zu erklären.

G Der Stärkungspakt hilft nur dabei, dass die Stadt keine neuen Schulden machen muss. Das sei ein erster Ansatz, würdigen die Wissenschaftler. Da der Stärkungspakt aber lediglich die Neuverschuldung auf Null setzen soll, bleibt offen, was aus den alten Schulden der Stadt wird.

G Die Gewerbesteuer bleibt für Firmen weiterhin stabil - aber um einen Wettbewerbsnachteil bei der Ansiedlung neuer Unternehmen wettmachen zu können, müsste der Rat ihren Hebesatz senken. Die durchschnittlichen Gewerbesteuersätze sind in NRW mit 442 Punkten ohnehin die höchsten aller Flächenländer. Im Bundesdurchschnitt liegt der Hebesatz bei 393 Punkten - und in Bottrop bei 490.

F Die Stadt klagt über steigende Sozialkosten - zu Recht? Die Forscher wecken Zweifel. Sie verweisen darauf, dass die reinen Ausgaben der Sozialhilfe mit der Einführung der Hartz-4-Leistungen von 245 auf 110 Euro je Einwohner sanken.

Bund und Land tragen zur finanziellen Entlastung bei

Es gehört zu den gern praktizierten Übungen von Ratsmitgliedern für die enorme Verschuldung der Stadt andere verantwortlich zu machen. Bundesregierung und wie Landesregierung müssen sich dann viel Kritik gefallen lassen. Pauschalkritik ist aber nie richtig, wie diese Hinweise der Wirtschaftsforscher belegen.

F Der Bund bürdet der Stadt immer nur Lasten auf - falsch! So übernahm Berlin schon vor zwei Jahren 45 Prozent der Kosten für die Grundsicherung im Alter, im vorigen Jahr 75 Prozent. Ab 2014 zahlt der Bund die Grundsicherung komplett aus seiner eigenen Geld-Tasche. Für die Stadt macht das 5,135 Mio. Euro aus. Die Große Koalition hat außerdem versprochen, sich an den Kosten für die Eingliederung von Menschen mit Behinderungen zu beteiligen - in Bottrop immerhin mit 909 000 Euro.

F Das Land lässt die Stadt mit ihren Schulden allein - falsch! So hat sich die Landesregierung ja entschlossen, mit hoch verschuldeten Gemeinden mit dem Stärkungspakt zu helfen. Düsseldorf zahlt Finanzhilfe, wenn die Stadt dafür kräftig spart. Bottrop macht dabei freiwillig mit. Allein in diesem Jahr hilft das Land mit 3,023 Mio. Euro beim Schuldenabbau. Von 2012 bis 2020 sollen es 75,1 Mio. Euro sein. Das ist nicht alles. Das Land verteilt die Steuergelder ja auch nach neuen Regeln unter den Kommunen. 2011 brachte der Stadt das 2,094 Mio. Euro ein, rechnen die Wirtschaftsforscher vor. Als Ausgleich für die Soziallasten gab es außerdem 856 000 Euro.

F Die Deutsche Einheit kostet die arme Stadt zu viel Geld? Der Protest gegen die Beteiligung an den so genannten Einheitslasten hat letztlich dazu geführt, dass auch die Stadt Rückzahlungen bekommt. So flossen an Bottrop 2013 immerhin 937 000 Euro zurück, in diesem Jahr werden es 188 000 Euro sein.