Bottrop. Ein Brot kostete bis zu 20 Milliarden, ein Zeitungsabo in Bottrop 350 Milliarden Mark. Die Arbeiter fuhren ihre Löhne zum Teil mit der Schubkarre nach Hause, die Pfarrer sammelten Kollekten in Wäschekörben ein. Seit dem Beginn des 1. Weltkriegs 1914 herrschte latent Inflation in Deutschland. Den Höhepunkt erreichte die Entwicklung allerdings 1922/23. Auch in Bottrop druckte die Stadt Notgeld. Entwürfe dazu, aber auch viele der Milliarden-Banknoten von damals hütet das Stadtarchiv.
Zu den Schätzen des Stadtarchivs gehört auch ein wahrer Geldschatz. Tatsächlich lagern Millionen über Millionen im Magazin. Die Lösung für alle Geldprobleme der Stadt - wäre da nicht ein kleiner Haken an der Sache: Es handelt sich leider um Geld, das 90 Jahre alt ist und in der Inflationszeit herausgegeben wurde: das Notgeld.
Die Städte druckten zu dieser Zeit eigene Geldscheine. Bottrop ließ im November 1922 zunächst 100 und 500 Mark Scheine drucken, im Jahr darauf gemeinsam mit Gladbeck und Osterfeld 20 000er, dann Millionen und Milliarden Scheine und schließlich im November 1923 sogar Geldscheine im Wert von 20 Billionen Mark. Der Gesamtwert betrug heute unvorstellbare 3.658.287.982.000.000.000, also über 3 Trillionen Mark. Doch auch diese waren bald fast nur noch gerade mal das Papier wert, auf dem sie gedruckt waren, die Geldentwertung nahm mit rasendem Tempo zu.
Geld in Schubkarren transportiert
Begonnen hatte die Inflation mit der hohen Verschuldung des Deutschen Reiches während des Ersten Weltkrieges. Nach Kriegsende brachte man zusätzliche große Mengen Papiergeld in Umlauf, um die Wirtschaft nach dem verlorenen Krieg wieder anzukurbeln und auch um einen Teil der Schulden zurück zu zahlen. Doch die Reparationsforderungen der Alliierten und die Besetzung des Ruhrgebiets auf der einen Seite und die sinkenden Einnahmen auf Grund der schlechten wirtschaftlichen Situation auf der anderen beschleunigten die Inflation dramatisch. Hinzu kamen große innenpolitische Probleme. Für weite Teile der Bevölkerung war die Lage katastrophal und verschärfte sich von Monat zu Monat.
Tag und Nacht liefen die Druckmaschinen, um neues Geld zu produzieren, konnten jedoch nicht mit der Entwertung des Geldes Schritt halten. Die Reichsbank war nicht in der Lage, die notwendigen Zahlungsmittel in das besetzte Ruhrgebiet zu liefern. Auch die Städte und Unternehmen ließen so schließlich eigenes Notgeld als Ersatzwährung drucken.
Wenn gleich die Bottroper nun Millionäre oder sogar Billionäre waren, kaufen konnten sie sich für ihr „Vermögen“ kaum etwas. So kostete am 5. November 1923 ein 3 ½ Pfund Brot 15 Milliarden, zwei Tage später bereits 20 Milliarden Mark. Für ein Kilo Weißkohl zahlten die Hausfrauen auf dem Markt am 3. November 800 Millionen, fünf Tage darauf aber 3 Milliarden Mark. Die „Bottroper Volkszeitung“ setzte ihren Abonnentenpreis für die Zeit vom 19. bis zum 25. November auf 350 Milliarden Mark fest. In Schubkarren und Waschkörben brachten die Arbeiter ihren Lohn nach Hause.
Die Einführung der Rentenmark im Winter 1923 setzte dem Spuk ein Ende und verhinderte den totalen Zusammenbruch der wirtschaftlichen Ordnung. Im Laufe des folgenden Jahres führt dann die endgültige Regelung der Reparationszahlungen an die Siegermächte des Ersten Weltkriegs mit dem Dawes-Plan zur Stabilisierung der deutschen Währung. Die Schrecken der Inflationszeit aber blieben über Generationen fest im Gedächtnis der Bottroper Bevölkerung verankert.