Schwester Gertrud Dederichs gibt schwer krankem Menschen Beistand. Menschen, diedie Festtage im Marienhospital verbringen müssen. Für manche wird es das letzte Weihnachten sein. Dank der Seelsorgerin bleiben sie nicht ohne Trost.

Wer irgendwie kann, geht über die Feiertage nach Hause. Doch 150 Menschen im Marienhospital sind so schwer krank, dass sie Weihnachten dort verbringen müssen. Für manche wird es das letzte Fest sein. Und mit vielen von ihnen wird Schwester Gertrud Dederichs (62) reden, wird zuhören und trösten.

Warten

Die WAZ sprach mit der katholischen Seelsorgerin über ihre Arbeit im Krankenhaus und was die Weihnachtsbotschaft hier und in diesen Tagen bedeuten kann. „Eigentlich”, sagt Schwester Gertrud Dederichs, „ist im Krankenhaus immer Advent. Weil die Menschen ständig warten. Sie warten auf Untersuchungen, Behandlungen, auf Heilung. Und manchmal auch auf das Ende als Erlösung.”

Weihnachten feiern wir die Geburt Jesu, ein Freuden- und Familienfest. Wer in einer Klinik liegt, kann das kaum empfinden. Gibt es im Krankenhaus Weihnachten?

Wer jetzt bei uns im Krankenhaus liegt, der ist schwer krank, kann nicht nach Hause oder wäre dort doch nur alleine. Aber gerade an solche Menschen wendet sich doch die christliche Weihnachtsbotschaft. Jesus ist von Geburt an den Härten des Lebens ausgesetzt im Stall von Bethlehem, umgeben von Hirten, die als eher zwielichtige Gestalten angesehen wurden. So wie es Jesus und seinen Eltern ging, geht es auch den Patienten hier. Die Krankheit hat sie aus ihrem Umfeld herausgerissen, sie sind angewiesen auf die Fürsorge von Fremden. Menschen, die solch Unbekanntem ausgesetzt sind, gilt die Weihnachtsbotschaft: Gott will gerade ihnen nahe sein.

Wie verbringen Sie Weihnachten mit den Patienten?

An Heiligabend wird der ganze Tag mit Besuchen zugebracht. Da ist mehr Zeit und Ruhe für intensive Gespräche, auch über religiöse Themen. Manche sagen, jetzt bin ich wie das Jesuskind und muss versorgt werden.

Welche Rolle spielt der Glaube, wenn Sie mit Schwerkranken sprechen? Sind die Menschen nicht sauer auf Gott?

Die Frage wird natürlich gestellt: Warum habe gerade ich eine schlimme Krankheit? Ist das gerecht? Ich kann niemandem eine Antwort geben. Die müssen die Leute selber finden. Aber es hilft, Fragen und Zweifel auszudrücken und im Gespräch zu erleben, dass sie ernst genommen werden. Die Bibel ist voll von solchem Ringen mit dem Warum. Alle, die mit ihrem Schicksal hadern, die wütend sind, brauchen ein offenes Ohr für ihre Klagen und ihren Schmerz. Nur so kann auch wieder Freude am Leben in den Blick kommen.

Finden die Patienten Trost im Glauben?

Doch, den gibt es. Ich treffe hier schwer kranke Menschen, die eine innere Kraft spüren, ihren Weg anzunehmen. Das ist aber eher selten. Die meisten ringen und hadern mit ihrem Schicksal, finden erst am Ende Akzeptanz. Aber was ich immer wieder erlebe: Wenn die Menschen wahrnehmen, dass ihre Zeit begrenzt ist, bekommt ihr Leben eine unglaubliche Intensität. Bei allem Leid können sie sich dann mehr freuen am Geschenk des Augenblicks, an einer schönen Blume, einem Sonnenaufgang, einem guten Gespräch. Und die meisten Menschen glauben an irgendeine Existenz nach dem Tod.

Schwere Erkrankungen und Tod werden heute von vielen Menschen verdrängt. Wie sollten Angehörige damit umgehen – gerade an Weihnachten?

Wenn ein Mensch vielleicht sein letztes Weihnachtsfest erlebt, sollte die Zeit nicht mit Nebensächlichem vertan, sondern genutzt werden. Für Zeichen, die Bedeutung haben. Um zu sagen, was wichtig ist. Manchmal ist es gut, vertraute Dinge zu tun. Einer Frau, die auf Reisen viel mit ihrem Mann gesungen hatte, habe ich mal gesagt: Singen Sie. Der Ton ist das Letzte, was von uns weggeht. So hat sie ihren Mann auf seiner letzten Reise singend begleitet. Sie erzählte mir hinterher, durch das Singen sei ihr Mann ganz ruhig geworden und sei schließlich friedlich eingeschlafen. Wenn Menschen in Frieden sterben können, ist das ein Geschenk auch an Weihnachten.

Warum ist Seelsorge im Krankenhaus wichtig?

Die Verweildauer im Krankenhaus ist heute so kurz. Viele Patienten – vor allem ältere und Menschen mit schlimmen Diagnosen – haben Fragen und Ängste, für die im schnelllebigen Betrieb einer Klinik oft wenig Zeit bleibt. Darüber zu reden ist aber wichtig. Seelsorge im Krankenhaus – das ist ein Beziehungsangebot, das ist Zuhören und Anteilnehmen, damit Sorgen, Fragen, Leid und Trauer aber auch Hoffnung zur Sprache kommen können. Trost spenden heißt für mich, Raum schaffen für alles, was Menschen bewegt, damit sie Zugang zum Leben mit der Krankheit gewinnen. An Weihnachten bleibt niemand freiwillig im Krankenhaus. Doch die Feiertage hier werden oft intensiv erlebt und es fehlt nicht an guten Begegnungen und frohen Momenten.