Claudia Kretschmer, die Leiterin der Evangelischen Sozialberatung Bottrop (ESB) kann aufatmen: Ihr Team ist wieder komplett. Gerade rechtzeitig -- denn in der Vorweihnachtszeit ist das Bedürfnis der Hilfesuchenden nach Rat, nach Zuspruch, besonders groß; und zudem hat sich die Anzahl der Menschen, die die Hilfe der ESB benötigen, innerhalb von zwei Jahren verdoppelt.

Seit wenigen Tagen gehört der Sozialwissenschaftler Felix Brill bei der ESB mit dazu. Er übernimmt die Stelle von Christian Kempelmann, der die ESB verließ. Felix Brill arbeitete bisher in Essen bei der Drogenberatung. „Eigentlich“, sagt er, „hatte ich gar nicht vor zu wechseln.“ Der gebürtige Bottroper war kürzlich aus privaten Gründen von Essen in seine Heimatstadt gezogen und hatte von der Stelle gehört. Im Sommer habe er die ESB besucht und sich gedacht: Wieso nach 13 Jahren nicht noch einmal etwas Neues machen?

Er wird künftig die Menschen, die sonst keinen Ausweg mehr für sich sehen, unterstützen. Menschen helfen, die keine feste Adresse haben und irgendwo, mal hier, mal da bei „Kumpeln“ unterkommen; Menschen, die der Vermieter vor die Tür setzen will; Menschen, die wegen ihrer Suchtprobleme kein normales Leben mehr führen. „Hier werde ich die Hilfebedürftigen begleiten; ich werde versuchen, einem drohenden Wohnungsverlust entgegenzuwirken oder zu verhindern, dass einem Mieter der Strom abgestellt wird“, so charakterisiert der 42-Jährige einen Teil seiner künftigen Arbeit.

Bevor klar war, dass er aus seinem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur ESB wechseln kann, hat Claudia Kretschmer so manches Stoßgebet gen Himmel gesandt. „Das ist eine Arbeit, die muss man mindestens zu zweit machen“, stellt sie fest.

Auch weil sich die soziale Lage in der Stadt verschlechtert habe. Die Anzahl derer, die diese Hilfe brauchen, steige. „Die Fallzahlen haben sich in den vergangenen zwei Jahren verdoppelt“, sagt Claudia Kretschmer. Zuvor seien im Schnitt 40 bis 50 Menschen in die ESB gekommen, jetzt seien es 80 bis 90. „Es fällt auf, dass rund 40 Prozent von ihnen im Alter von 18 bis 25 Jahren sind. Wir finden, das ist eine hohe Zahl.“ Es seien junge Leute, die Schwierigkeiten mit den Eltern hätten, keinen Schulabschluss oder die Drogenprobleme hätten. „Am liebsten wäre mir, wir hätten eine feste Anlaufstelle für sie, die ihnen dann eine ganzheitliche Hilfe geben kann“, gesteht Claudia Kretschmer, die erfahrene Sozialarbeiterin. Doch sie ist wegen der Finanzlage der Stadt nicht allzu optimistisch. Zumindest jedoch, beharrt sie, brauche es einen Runden Tisch, an dem die Hilfs-Angebote der beteiligten Stellen in der Stadt für einen Bedürftigen zusammengeführt werden. Eine letzte Chance sozusagen für die jungen Menschen, damit sich ihre schlimme soziale Lage nicht verfestigt.