Bottrop. .
Angefangen hat alles mit „Ich sing mich in dein Herz hinein“. Ein Film von 1934, der junge Hans Söhnker singt das Titellied, Walzermelodie, aber nicht zu schmalzig. Das war damals wohl so. Für Irmgard Petschulat war dieser Film im Januar 1988 die Premiere für „ihr“ Seniorenkino in Bottrop. Es war der erste Streifen, den sie für die älteren Zuschauer ausgesucht hatte. Denn vorher gab es nicht, was heutzutage fast selbstverständlich ist: das Seniorenkino.
Sie hatte das zuvor in Essen kennengelernt. Und entschlossen wie sie ist, nahm sie sich der Sache an. Eine von vielen, mit denen die heute 74-Jährige das Stadtleben bereichert hat.
Zuschauerinnen nahmen Studium auf
„Der Kulturrat hat meine Idee gleich aufgegriffen“, erzählt Irmgard Petschulat über die Anfänge. Sie habe dann in der Verwaltung nachgefragt, wie man sich das vorstelle, auch finanziell. Die Stadt habe sie unterstützt. Von da an konnte Irmgard Petschulat loslegen bzw. einlegen – Filmrollen einlegen. Und „Ich sing mich in dein Herz hinein“ sei gerade greifbar gewesen.
Eine wichtige Voraussetzung. Denn das Besorgen der Filme war alles andere als leicht. „Nach dem Krieg waren viele Rollen noch in Privatbesitz.“ Und alt habe der Film schon sein sollen. „Ich wollte Filme zeigen, die die Zuschauer aus ihrer Jugend kannten oder die sie früher gern gesehen hätten, aber nicht sehen konnten.“ Heimatfilme, Liebesfilme vor allem. Und immer gab es auch damals schon Kaffee und Kuchen. Es sollte ja gemütlich sein, und es sollte Gelegenheit geben, Kontakte zu knüpfen. 220 Filme hat sie gezeigt, bis sie 2012, nach 25 Jahren, beim Seniorenkino aufhörte.
Wie kommt man dazu, in der Freizeit, statt auf dem Sofa zu liegen, so eine Einrichtung mir nichts, dir nichts, aufzubauen? Die 74-Jährige muss erst überlegen, bevor sie antwortet, so abwegig kommt ihr die Frage vor. „Wenn man kulturell interessiert ist“, sagt sie. Es ist nicht nur Bescheidenheit, die da aus ihr spricht, es ist auch eine robuste Tatkraft, Beharrlichkeit bei der Umsetzung der Ideen, ein waches Interesse an allem, was um sie herum geschieht.
Wenngleich das Seniorenkino untrennbar mit ihrem Namen verbunden ist, so ist es längst nicht die einzige Spur, die Irmgard Petschulat, die Frau mit tausend Ideen, in der Stadt hinterlässt. Sie rief einen Frauenstammtisch ins Leben, organisiert Ausflugsfahrten für Senioren, knüpfte Kontakte für die Senioren zum Musiktheater Gelsenkirchen. Und als einige Film-Zuschauerinnen ihr sagten, dass sie noch studieren wollten , da zuckte Irmgard Petschulat nicht mit den Schultern, sie ging zielstrebig mit acht Frauen zur Uni Essen und fragte nach. „Fünf Frauen haben das Studium, auch Medizin, durchgezogen“, sagt sie.
Wer genauer nachhakt, findet noch sehr viel mehr Spuren in der Stadt, die alle auf eine ungewöhnlich aktive Bottroperin weisen.