Bottrop. .
Wenn die Kumpel abends auf Prosper Haniel zur Nachtschicht einfahren, ist es draußen ziemlich still. Die Nacht zieht auf. Doch jeden Donnerstagabend tönt Party-Musik aus dem Glaspavillon, der vor dem malerischen Malakoffturm steht. Dann treffen sich RAG-Mitarbeiter und gehen einem für Kumpel ziemlich ungewöhnlichen Hobby nach: Sie tanzen. Und das auch noch mit ansteckender Freude. Flotte Sohle hoch über der 7. Sohle.
Zehn, zwölf Paare drehen sich im Takt, mal umkreisen sie sich, mal schreiten Paare voreinander her, mal tanzen sie auf der Stelle – eins zwei Tip, eins zwei Tip. „Wir tanzen im Moment nur Disco-Fox“, erklärt Uwe Hüttermann in einer Pause, kaum merklich außer Atem. Er hat den Kreis mit seiner Tanzpartnerin Petra Grimberg ins Leben gerufen. „Aber demnächst erweitern wir das Programm“, kündigt er nicht ganz ohne Stolz an. Denn seine Idee hat sich zu einem echten Knüller entwickelt. „Sie wollen jetzt mehr Standard-Latein.“
Der technische Angestellte hat sich vor rund acht Jahren von dem Tanz-Virus infizieren lassen. Damals, erzählt er, habe er etwas für die Bewegung tun wollen und sich einfach mal an einer Tanzschule angemeldet. „Ich hatte sofort Spaß daran.“
Die Saarländer kommen
Anfang 2013 dann hat er mit zunächst drei, vier Paaren den Tanzkreis der RAG auf Prosper Haniel eröffnet und überall kräftig dafür geworben. Aber es war damals, wie es meistens ist beim Tanzen: Viele Frauen, kaum Männer. Bis sich die Sache bei den „neuen“ Kollegen rumgesprochen hatte -- bei den Bergleuten, die aus dem Saarland nach Bottrop zu Prosper Haniel gekommen sind. Und die Saarländer – und Saarländerinnen – schienen nur darauf gewartet zu haben. Jedenfalls konnten sich ruck zuck Tanzpaare zusammen finden. Auch zwei türkischstämmige Kollegen hätten sich angeschlossen. Und jetzt schwofen jede Woche zwischen zwölf und 25 Paare unter dem imposanten Glasdach. „Einmal im Monat kommt ein Tanzlehrer, der neue Figuren zeigt“, sagt Uwe Hüttermann über den Ablauf. Dann hätten die Tänzerinnen und Tänzer drei Wochen Zeit, um das Neue intensiv zu üben.
Und sie üben mit Hingabe, Ausdauer und großem Spaß. „Gucken Sie mal hin“, schupst Uwe Hüttermann die Besucher an, „anders als in manchen Tanzschulen wird hier gelacht.“ In der Tanzschule seien die Leute schon mal verkrampfter, da würden ja auch jede Woche neue Figuren gezeigt. Spaß hier gegen Schnelligkeit woanders.
Und gerade das Vergnügen beim Tanz schätzen Monika Sorst und Jörg Schmitz, der bei der RAG in der Logistik arbeitet. „Hier können wir mehr trainieren und zwischendurch auch mal Trockenübungen machen.“ Und außerdem: die Kollegen. „Wir lernen uns Woche für Woche besser kennen“, lachen sie bestens gelaunt.
Tanzen hilft bei Heimweh und „Ruhrgebiets-Gigantomanie“
Das Tanzen dient anscheinend auch als Allheilmittel gegen ganz viele Alltags-Widrigkeiten. Probleme bei der „Integration“ der „Neuen“ aus dem Saarland? Monika Redzimski aus der Materialdisposition und Elisabeth Elgas, die bei der Stabsstelle Pluto in Herne arbeitet, fühlen sich durchs Tanzen erst richtig mit den Bottropern verbunden.
Und es wärmt das Herz. „Tanzen fängt das Heimweh auf“, sagen die Saarländer lachend. Es helfe sogar dabei, das Ruhrgebiet lieben zu lernen. „Das ist für uns nämlich echt gewöhnungsbedürftig“, schmunzeln sie. „Es ist ein gewaltiger Ballungsraum. Alles ist 17 Mal größer: die Einwohnerzahl, der Verkehr und alles andere drumherum auch“, flachst der Saarländer Heinz-Jürgen Schütz.
Die Musik tönt und alles huscht zurück auf die Tanzfläche. Sie wollen noch üben, bevor für diesen Abend im Glaspavillon Schicht am Schacht ist. Für andere RAG-Mitarbeiter jedoch geht’s gleich erst richtig los, sie gehen anschließend direkt zur Nachtschicht.