Bottrop. Die Stadt der tausend LIchter und rauchenden Schlote - das Bild stimmt so längst nicht mehr. Dennoch verdienen viele Menschen in den Altindustrien weiterhin Geld und geben es in Bottrop aus. - Ein persönlicher Blick auf die Stadt, auf schleichende Veränderungen, auf fehlendes Wachstum.

Als ich Kind war, haben die tausend Feuer des Ruhrgebiets, die Zechen, Kokereien und Fabriken den Nachthimmel erleuchtet. Es gab Smog in Bottrop und Fahrverbote. Die Zeiten ändern sich. Die Häuser in Bottrop sind nicht mehr alle grau und schwarz. Die Luft ist sauber. Viele Stadtteile wurden modernisiert, frisch gestrichen und neu erschlossen. Damals in meiner Jugend gab es Grobstaub - heute nur noch Feinstaub.

Bottrop ist eine Zechenstadt. Jahr um Jahr fraßen sich die Gruben vom Süden weiter in den Norden. Die Schächte folgten ab der zweiten Hälfte des Neunzehnten Jahrhunderts aufeinander wie das Ein mal Eins. Die Prosper-Gruben. Franz Haniel, Schacht 10. Irgendwann wurden alle Pütts zusammengelegt, in einer einzigen Zeche, in der Zeche Prosper-Haniel.

Monumente

Ich wohne im Norden von Bottrop. In Nähe der Zeche. Jeden Morgen schaue ich auf die Halde der Grube. Ich sehe dort das Kreuz, das an den einzigen Besuch eines Papstes auf einer deutschen Kohleanlage erinnert. In der anderen Richtung sehe ich die Bottroper Zentralkokerei, und ihre weißen Wolken. Ich sehe auch das Kohlekraftwerk Scholven am Horizont. Monumente des alten Ruhrgebietes.

Dazwischen sehe ich viel Grün. Bäume, Wälder, Parkanlagen. Ich höre die Autobahn und ich sehe die Flugzeuge, die Adern einer neuen Welt.

Bottrop lebt immer noch von der Grube, von den Schächten, von der Kokerei, von den Ausbildungsplätzen, von den Zulieferungen, von den Männern und Frauen, die dort ihr Geld verdienen und es in Bottrop ausgeben.

Doch der Wandel kommt: Das Zechensterben. Bottroper Arbeiter wurden nach Hause geschickt. Bergleute kommen heute aus dem ganzen Ruhrgebiet und sogar darüber hinaus aus dem Saarland. In der Bottroper Innenstadt stehen Läden leer, es gibt kein Kino, kein Theater mehr. Firmen machen dicht.

Die Stadt bemüht sich. Die staatliche Fachhochschule Ruhr West hat einen ihrer vier Standorte in Bottrop platziert. Die Stadt freut sich über den Titel als Innovation City, der helfen soll, den Umbau voranzutreiben. Die Stadt macht sich hübsch, feiert Feste und Veranstaltungen sowie ein neues Netzwerk der Bottroper Creativ-Wirtschaft.

Die Kurve kriegen durch den Stärkungspakt?

Die Stadt hat größere Probleme. Bottrop ist arm. Etliche Sparmaßnahmen mussten beschlossen werden. Die Schließung des Freibades „Stenkhoffbad“ konnte nur knapp verhindert werden.

Allein die Teilnahme am Stärkungspakt NRW bewahrt die Stadt vor dem Kollaps. Im kommenden Jahr stehen Einnahmen von rund 330 Millionen Euro geplanten Ausgaben von 340 Millionen Euro gegenüber. Das Defizit wird durch neue Schulden gedeckt.

Nach den Planungen des Stärkungspaktes sieht es nur auf den ersten Blick so aus, als könnte Bottrop die Kurve kriegen. Im Gegenzug für schmerzliche Sparrunden schießt das Land bis zu 11,5 Millionen Euro im Jahr zu. Das Ziel: Spätestens 2018 soll ein ausgeglichener Haushalt vorgelegt werden. Keine neuen Schulden mehr.

Was allerdings in dieser Rechnung nicht bedacht wurde, wie Bottrops Kämmerer Willi Loeven auf Nachfrage bestätigt: die Schließung der Zeche Prosper-Haniel. Loeven sagt, das Ende des subventionierten Steinkohlebergbaus hätte auf die Finanzplanungen der Gemeinde keine große Auswirkung, weil die Betroffenen anderweitig Jobs finden würden. Und sowieso sei der Anteil der Zeche an den kommunalen Einnahmen nicht so hoch.

Ich lebe in Bottrop. Jeden Morgen sehe ich die Zeche. Und die Leute die dort hingehen.

Ich sehe in den Finanzplanungen der Stadt für den Stärkungspakt bis zum Jahr 2022 steigende Personalkosten, die schon jetzt ein Drittel der Einnahmen wegfressen. Von rund 100 Millionen Euro in diesem Jahr sollen sie planmäßig auf 110 Millionen Euro im Jahr 2022 klettern.

Zeit, der Wahrheit ins Gesicht zu schauen

Ich sehe in den Plänen der Stadt steigende Einnahmen aus der Einkommenssteuerzuweisung. Sie sollen von 37 Millionen Euro auf 53 Millionen Euro steigen – obwohl die gut 4000 Arbeitsplätze der Zeche wegfallen werden.

Wie wackelig die Planungen sind, zeigt ein Beispiel. Ich sehe in den Planungen Gewerbesteuereinnahmen, die von 30 Millionen Euro im Jahr 2012 bis auf 46 Millionen Euro im Jahr 2022 wachsen sollten. Doch schon für das laufende Jahr mussten die Pläne korrigiert werden. Statt 35 Millionen wird Bottrop nur 30 Millionen Euro einnehmen. Dabei wächst die Wirtschaft in Deutschland. Doch Bottrop schrumpft. Wie soll es erst werden, wenn das ganze Land in die Krise rutscht - und nicht mehr wächst? Bottrop ist abgehängt.

Als ich Kind war, wurde der Nachthimmel von den Fackeln und Lichtern der Fabriken erleuchtet. Die Bottroper Gruben werden die letzten sein, auf denen in Deutschland nach Kohle gegraben wird.

Es wird Zeit, der Wahrheit ins Gesicht zu schauen. Der Hauptausschuss der Stadt berät am 19. November über den Etat und die Zukunft unserer Gemeinde.

Er muss mutig werden.