Als Herschel Grynszpan am 7. November in Paris einen deutschen Diplomaten erschießt - offensichtlich eine Verzweiflungstat eines 17-Jährigen - nahmen die SA und eine willige Gefolgschaft wenige Tage später dies zum Anlass, gewalttätige Ausschreitungen gegen jüdische Mitbürger, deren Besitz und Einrichtungen zu initiieren. Auch in Bottrop kam es zu Zerstörungen, Plünderungen und vor allem tätlichen Angriffen auf jüdische Einwohner.
Vom Lichthof aus zur Plünderung
Viele der knapp über 200 Mitglieder zählenden jüdischen Gemeinde verließen spätestens jetzt die Stadt. Einige von ihnen dürften bereits nach den ersten antijüdischen Ausschreitungen unmittelbar nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten am 5. März 1933 wohl mit dem Gedanken gespielt haben, Bottrop und Deutschland den Rücken zu kehren. Was vom 9. auf den 10. November 1938 wie überall im Land auch in Bottrop geschah, hatte man sich fünf Jahre zuvor sicherlich so nicht vorstellen können.
Von den zahlreichen Geschäften mit jüdischen Besitzern - darunter besonders viele Möbelgeschäfte - sollte keines verschont bleiben, als sich vor 75 Jahren nach einer Gedenkveranstaltung für Hitlers Putschisten im Lichthof der Berufsschule die Schlägertrupps vor allem der SA und deren Sympathisanten auf den Weg machten. Dortort an der Horster Straße, Kleinberger am Pferdemarkt, Reichenstein & Reinharz an der Gladbecker Straße, das „Vestische Möbelhaus“ von Alfred Cohn an der Essener Straße 2, die Möbelgeschäfte von Redisch an der Schützenstraße oder Häusler und Krauthammer an der Essener Straße 5: Dies waren nur einige der zum Teil eingesessenen Bottroper Geschäftsleute, die in dieser Nacht ihre Existenz und auch ihre Wohnungen verloren. Fast alle der gut 40 zu dem Zeitpunkt noch in Bottrop wohnenden Juden wurden inhaftiert. Manche, darunter auch mehrere Geschäftsleute, waren bereits Ende Oktober in Richtung der polnischen Grenze deportiert worden.
Viele dieser Einzelheiten lassen sich nachlesen in der zweibändigen Schrift „Juden in Bottrop“, die der damalige Leiter des Stadtarchivs, Manfred Lück, zwischen 1993 und 2000 verfasste. Die Bände sind, entstanden auch unter Mithilfe von Lücks damaliger Mitarbeiterin und Nachfolgerin als Stadtarchivarin, Heike Biskup, erschienen in der Reihe „Beiträge zur Bottroper Geschichte“ der Historischen Gesellschaft.
In Gang gekommen war diese erste und umfassende Erforschung der Geschichte von Bottrops Juden - erst, muss man sagen - 1988. Wahrscheinlich wird der damals 50. Jahrestag zum Gedenken an die damals noch „Reichskristallnacht“ genannte Pogromnacht den Anlass geliefert haben. Dass die Taten an dieser im Vergleich zu anderen Städten relativ kleinen Bevölkerungsgruppe in Bottrop recht gut bildlich dokumentiert sind, liegt daran, dass drei Fotoalben der „SA-Standarte 15 Bottrop“ erhalten blieben. Darin dokumentierten die Mitglieder der „Sturmabteilung“ neben Ausflügen, Propagandamärschen und Feiern auch „Heldentaten“, wie die Ausschreitungen vor 75 Jahren. Die Bände liegen heute im Landesarchiv Münster.