Vogel der Mitte-Schützen stellt Geduld des amtierenden Königs auf eine harte Probe. Erst nach 200 Schüssen fällt der Rumpf
Nachdem die Trophäen schnell gefallen sind, hätte man meinen können, dass auch der König des Bürgerschützenvereins Bottrop-Stadtmitte zügig ermittelt ist. Doch der Rumpf des Adlers erwies sich als zäh. Zum Königsschießen um 14 Uhr waren wie so oft nur zwei Schützen angetreten: der amtierende König Bernd Behrendt und der erste Vorsitzende des Vereins, Andreas Jordan. Dessen Sohn Tim hatte bereits mit dem 85. Schuss die Krone geschossen. Nach 176 Schüssen traf Guido Student das Zepter, Erich Hornung schoss mit dem 256. Schuss den linken Flügel ab, und nur 20 weitere Versuche später traf Heinz-Jürgen Hahn den rechten Flügel.
Rumpf und Schweif bleiben oben
„Pünktlich wie immer haben wir alle Trophäen abgeräumt“, hatte Andreas Jordan noch während der Feuerpause auf dem Festplatz Am Lamperfeld zufrieden gesagt. Doch der Rest des Vogels wollte einfach nicht aus seinem Kasten fallen. Viele Schüsse trafen ihr Ziel, doch lange Zeit fielen nichts als Späne. Irgendwann schießt Bernd Behrendt den Kopf ab, doch Rumpf und Schweif bleiben oben.
Nach zirka 90 Minuten fällt ein großes Stück des Rumpfes, ohne dass unmittelbar zuvor geschossen wurde. Doch noch immer ist nicht alles unten. Die Schützenbrüder wissen, dass viel davon abhängt, welche Qualität das für den Vogelbau verwendete Holz hat. „Da ist mehr Leim im Vogel als alles andere“, sagt Zuschauer Sebastian Kizyna, der schon noch 45 Minuten richtig orakelte: „Das dauert noch.“ Wer schließlich Schützenkönig wird, steht schon fest, bevor der Vogel vollständig abgeschossen ist. Erstmalig in der Vereinsgeschichte soll es ein Kaiserpaar geben, weshalb Andreas Jordan sich schließlich aus dem bis dahin harten und fairen Wettkampf zurückzieht.
Doch das macht es für den verbleibenden Schützen nicht einfacher. Ihm ist deutlich anzusehen, dass der Vogel seine Geduld auf eine harte Probe stellt. Bernd Behrendt trifft, doch der Adler bleibt oben. Mit Kühl-Akkus versucht der künftige Kaiser, die Schmerzen des Rückstoßes in der rechten Schulter zu lindern. „Die ist schon ganz blau“, sagt seine Ehefrau, Königin und zukünftige Kaiserin Sabine Behrendt voller Mitgefühl. „Komm, noch ein Mal!“, feuert sie ihren Mann an, als er wieder einen Treffer landet, aber wieder nur Späne rieseln.
476 Schuss hat es schließlich gebraucht, bis der Adler seinen Geist aufgibt und zu Boden fällt. Zuvor hatten sich die Schützenbrüder darauf geeinigt, ihren König zu erlösen und auch selbst wieder zu schießen. Das erste Kaiserpaar der Vereinsgeschichte heißt trotzdem Bernd I und Sabine I.