Bottrop.
Er war eine Art Papst der Gegenkultur, lebte heftig und starb früh - mit nur 48 Jahren. Das war 1995. Seither war wenig die Rede von Josef „Biby“ Wintjes. Nicht nur in dieser Zeitung.
Dabei war der gebürtige Ochtruper und Herausgeber der in Bottrop gemachten Zeitschriften „Ulcus Molle Info“ und „Impressum“, die es in den 70er Jahren immerhin auf mehrere Tausend Abonnenten brachten, nicht nur eine schillernde Figur, sondern gewissermaßen eine Schaltstelle der Szene (mit dem Treffpunkt Kolpinghaus!), die sich seit 1968 mit Themen wie Kommunenbewegung, Frauenbewegung, aber auch Mystik und Anarchie auseinandersetzte. Themen, die damals wenig Chancen hatten, an die Öffentlichkeit zu gelangen.
Als Biby vor fast 18 Jahren starb, befürchteten seine Fans und Freunde, der Nachlass könnte in alle Winde verstreut oder noch schlimmer, irgendwo auf dem Müll landen. Wie Biby das gefunden hätte? Schwer zu sagen. Ein Motto war jedenfalls: „Nur nix verkniffen sehen.“
Nachlass in der Humboldt-Uni
Kein Wunder, dass er da irgendwann den Job als Programmierer bei Krupp schmiss und sich ganz seinem literarischen Vertriebsbüro zunächst an der Bahnhofstraße und später an der Böckenhoffstraße in der legendären Nummer 7 widmete. 150 Buchtitel und 70 Zeitschriften soll er im Angebot gehabt haben. Biby verhandelte direkt mit den Autoren und dem Drucker, der Verleger wird so umgangen. Von irgend etwas muss er ja auch leben. Bis es Ende der 70er Jahre langsam bergab ging, als sich die großen Verlage auch die Szene-Themen samt Autoren unter den Nagel rissen - und es irgendwann auch die „Gegenbuchmesse“ in Frankfurt nicht mehr gab.
Vieles ruht in diesem Nachlass, der kistenweise an die Berliner Humboldt-Uni kam und dort im „Archiv für Alternativkultur“ bezeichnenderweise von den Ethnologen betreut wird. Dort vergrub sich jetzt der ehemalige WAZ-Kulturredakteur Werner Streletz. Als gebürtiger Bottroper ging er nicht nur bei Biby ein und aus, sondern besitzt selbst noch eine recht ordentliche Sammlung von „Ulcus Molle“. Kein Wunder, befanden sich doch auch Streletz’ „Texte aus einem kaputten Kohlenpott“ in Bibys Angebot.
Aus heutiger Sicht war Biby Wintjes sicherlich wie ein Brennglas einer Zeit, die sich von Charles Bukowski schockieren ließ (wenn man den überhaupt kannte) oder Jim Morrison, den legendären Frontman von „The Doors“ mit seinen selbstgeschriebenen Texten bewunderte. Und sicher war er jemand, der seinen Weg konsequent und aus Überzeugung gegangen ist - als „Neckermann der Subkultur“, wie er mal genannt wurde.
Biby, der Bottroper Kulturrocker
Beatniks, Bukowski und Biby: Das klingt inzwischen wie eine Reise in längst vergangene Zeiten, als Anarchie ebenso wie Rocker noch Unworte waren.
Unter dem Titel „Der diskrete Charme der Revolte“ veranstaltet nun die Literarische Gesellschaft Bochum am 16. Mai um 19 Uhr im dortigen Kunstmuseum an der Kortumstraße 147 einen Abend, an dem der frühere WAZ-Redakteur und gebürtige Bottroper Werner Streletz an „Biby, den Kulturrocker aus Bottrop“ erinnert. Mit Charles Bukowski, dem „Dirty old Man“, und somit einer kompletten Gegenwelt zur „Lindenstraße“' setzt sich „Vater Beimer“ Joachim H. Luger auseinander, während Zepp Oberbichler sich Jack Kerouacs Roman „On the Road“ („Unterwegs“) zur Brust nimmt.
An dieser Stelle sei auch auf Werner Streletz’ 2012 erschienenen Roman „Rohbau“ verwiesen, der Geschichte eines Mannes im verhängnisvollen Zwiespalt eigener moralischer Ansprüche und der Wirklichkeit. 340 S., ca. 15 Euro. Erschienen im „projektverlag“ Bochum.