Bottrop.

Kolumbiens Bräuche sind eng verbunden mit denen des alten Spaniens. Das intensive wie leidenschaftliche Feiern der religiösen Feste mit ihrer ganzen Pracht während der Osterwoche stammt aus der Kolonialzeit und erinnert vielfach an Rituale, wie sie auch heute noch in Spanien lebendig sind. Im ebenfalls eher katholischen Westfalen zeigt sich das Brauchtum eher verhaltener, weniger überschäumend und bringt - jedenfalls heutzutage - keine Massen mehr auf die Straße. WAZ-Praktikantin Angelica Berrio aus Kolumbien und Redakteur Dirk Aschendorf wagen an dieser Stelle einen Vergleich.

„Eine unserer Traditionen sind die Prozessionen zu den Kar- und Ostertagen. Daran teilzunehmen ist fast schon Ehrensache - nicht nur in meiner Stadt Caicedonia. Und natürlich bereiten wir auch typische Gerichte an diesen Tagen zu“, sagt Angelica Berrio.

Die Karwoche

Wie in Bottrop beginnt auch in Caicedonia der Höhepunkt des Kirchenjahres mit dem Palmsonntag. Hier findet der feierliche Einzug Jesu in Jerusalem in einer geordneten Prozession mit Buchsbaumzweigen, Kreuz und Gesang statt. In Caicedonia dagegen schwenken die Mensch riesige Palmwedel und weiße Tücher und Fahnen. „Als ob man einem König huldigt, das Königtum Jesu verkündet“, beschreibt Angelica Berrio den Brauch.

Die folgenden Tage von Montag bis Mittwoch kommen in Bottrop, wie überall in Deutschland, als ganz normale Arbeitstage daher. In manchen Kirchen gibt es noch den alten Brauch der Kar- oder Trauermetten oder besonders gestaltete Gottesdienste. Das zählt aber eher zu den Ausnahmen.

In Kolumbien hat jeder dieser Tage einen ganz eigenen Charakter. Der Montag ist eher ein Tag des Gebets in den Kirchen, die dann schon sehr voll sind. Am Dienstag der Karwoche findet bereits die erste große Umzug durch die Stadt statt. Bei dieser „Prozession der Nächstenliebe“. Dabei sammeln die Teilnehmer Spenden für die Armen und Bedürftigen der ganzen Stadt.

„Der Mittwoch gilt bei uns als Tag des Festivals, natürlich nicht als Party, sondern eher für religiöse Musik“, sagt Angelica Berrio. Die Bevölkerung erinnert so in den immer voller werdenden Kirche und auf den Plätzen an die Auslieferung und den Verrat Jesus. Diese Musikfestivals finden im ganzen Land statt.

Am Gründonnerstag beginnen in beiden Ländern die heiligen drei Tage vor Ostern. Während in Deutschland eher das Ordnungsamt auf die Einhaltung der Feiertagsruhe von 18 Uhr bis zum Karsamstag achtet , wird in Kolumbien an die Einsetzung des Abendmahls mit theatralischen Darstellungen wie Theateraufführungen erinnert. In Deutschland findet dieses Erinnern in den Kirchen statt. Die katholische Liturgie hat aber schon einige Besonderheiten zu bieten: So praktizieren die Priester in vielen Gemeinden die Fußwaschung, die Glocken verstummen bis Karsamstag. Der Volksmund sagt: „Die Glocken reisen nach Rom“. Und vor allem verstummt die Orgel und es finden nach der Liturgie besondere Betstunden vor dem Altarsakrament statt.

Der Karfreitag

Der Karfreitag ist in Bottrop sicherlich am ehesten mit Kolumbien zu vergleichen.Der stundenlange Kreuzweg mit der Predigt des Bischofs auf der Halde Haniel zieht jedes Jahr Tausende von Gläubigen auf das Zechenareal. Und nachmittags beginnen in den katholischen Kirchen die Feiern mit der Verehrung des Kreuzes, das jetzt wieder feierlich enthüllt wird. In Kolumbien sind übrigens beide Tage arbeitsfrei.

In Caicedonia beginnt abends die Karfreitagsprozession, die mit Tausenden Teilnehmern größte und ausdrucksstärkste aller Umzüge. Dargestellt wird die Kreuzigung Jesu. „Es wird aber auch ein Skelett als Symbolbild des Todes gezeigt, während Männer die Leidenswerkzeuge Christi präsentieren“ beschreibt Angelica Berrio. Wie überall in der katholischen Welt, wird auch in Kolumbien keine Eucharistie gefeiert.

Der Karsamstag

Der Karsamstag ist in Kolumbien eher ein stiller Tag. In Deutschland wurde er mehr und mehr zu einem Shopping-Tag für die Feiertagseinkäufe. In der Heimat von Angelica Berrio gilt dieser Tag aber auch traditionell als Tag der Kranken. Diesen wird die Osterkommunion von den Priestern nach Hause gebracht. Außerdem finden vielerorts Fahrzeugsegnungen statt – ein Brauch, der hier zu Lande eher vor dem großen Ferien seinen Platz hat.

„Für viele Kolumbianer sind diese Tage eine Zeit der Besinnung, Freundschaft“, sagt Angelica Berrio. Auch sie geht mit ihrer Familie und Freunden zu den Prozessionen - und freut sich auf das Festessen. „Empanadas“. Ganz traditionell und ausnahmsweise vegetarisch.