Bottrop. Am 23. Februar 1953 wird Bottrop Großstadt. Der jüngste Einwohner, Theodor Albrecht, wird con seinem Vater auf dem Standesamt angemeldet. Damit ist Bottrop die jüngste unter den Deutschen Großstädten mit 100 000 Einwohnern.

Bundeskanzler Konrad Adenauer schickte immerhin ein Telegramm, der Oberbürgermeister des nahen Oberhausen ließ sich entschuldigen, er habe Termine. Aber auch ohne Kanzler und den Oberhausener ließen heute vor 60 Jahren die Bottroper nicht die gute Laune verderben. „Die Stadt Bottrop hat die Einwohnerzahl 100 000 überschritten. Sie ist damit in die Reihe der Deutschen Großstädte eingetreten“.

So prangte es auf der Einladungskarte zur Feierstunde am 7. März 1953 in der Aula des Jungengymnasiums (dem heutigen Kammerkonzertsaal), zu der der damalige Oberbürgermeister Ernst Wilczok und Oberstadtdirektor Fritz Kleffner - wie es damals üblich war - noch „ergebenst“ einluden.

Im Zeichen des Wiederaufbaus

Der Einwohner Nummer 100 000 aber wurde am 21. Februar geboren: Theodor Albrecht. Unzählige Male fotografiert und interviewt, so dass er heute von diesem (unfreiwilligen) Jubiläum nichts mehr hören mag. Das versicherte jedenfalls ein der Redaktion bestens bekannter früherer Mitschüler Albrechts. Bottrop war damals im „Großstadtfieber“, wie die WAZ 1953 schrieb. In der Karnevalssaison tanzte man sogar den „Großstadtwalzer“.

Und die Stadt hatte etwas zu feiern: Den Sprung von 4000 auf 100 000 Einwohner in knapp 100 Jahren. Aber auch den Wiederaufbau nach dem Bombenkrieg und acht Jahre in Freiheit ohne Naziherrschaft, Bespitzelung und Tote, die auch hier fast jede Familie zu beklagen hatte. Für die meisten muss es wohltuend gewesen sein, in der anlässlich der Großstadtwerdung überall beflaggten Stadt das Stadtwappen oder die traditionellen Festfahnen statt des unseligen Hakenkreuzes zu sehen.

Ein Blick in die 1953 schon wieder hergestellte Hansastraße zeigt das beginnende Wirtschaftswunder. Bereits zwei Jahre zuvor war das Kaufhaus Althoff (später Karstadt) größer und moderner wieder aufgebaut worden. Und die Industrie, vor allem die Zechen Prosper, Rheinbaben oder Welheim, sorgte nicht nur für Arbeitsplätze, sondern spülte zunehmend Geld in die Stadtkasse.

Dennoch nahm sich der Festakt verglichen mit heutigen Ereignissen nahezu bescheiden aus. Es spielte das Bottroper Kammerorchester, es gab Ansprachen von Ernst Wilczok und Fritz Kleffner - und erstmals seit Kriegsende wurde in Bottrop wieder die Ehrebürgerwürde verliehen (siehe nebenstehenden Text). Auch beim anschließenden Menü im Forsthaus Specht blieb man bescheiden: Römische Pastete, Filetbraten mit Kartoffeln und Tunke, Kompott.Wein und Kaffee. Dafür erhielten aber 40 Kriegsheimkehrer und Flüchtlinge Pakete. Wert: 40 D-Mark. Damals noch viel Geld.