Bottrop. . Wenn keine Nachkommen mehr da sind, geht der Nachlass an Nordrhein-Westfalen. An Reichtümer gelangt das Land auf diese Weise aber nicht. Denn gerade bei großen Nachlässen findet sich meist doch ein rechtmäßiger Erbe.

So manch guter Krimi beginnt mit einer Testaments-Eröffnung. Doch was passiert, wenn ein Mensch keinen letzten Willen hinterlässt? Wenn ein Mensch stirbt und niemand da ist, der sich um den Nachlass kümmert?

Wenn keine Erben gefunden werden können, tritt das Land Nordrhein-Westfalen ein. Fiskalerbschaft heißt das. Einmal ist das im vergangenen Jahr in Bottrop passiert. Dabei floss dem Land jedoch keine nennenswerte Summe zu.

Bis das Geld allerdings beim Land landet, kümmert sich die jeweilige Bezirksregierung um den Nachlass. In Münster ist Frank Engberding dafür zuständig. 155 Erbfälle hat er 2012 bearbeitet, hat Haushalte und Besitzstände aufgelöst, Immobilien verkauft. Insgesamt betrug der Erlös aus den Erbschaften im vergangenen Jahr 470 000 Euro. Abzüglich der Ausgaben für die Nachlassverwaltung von 108 000 Euro gehen somit 362 000 Euro aus dem Regierungsbezirk Münster an die Landesregierung in Düsseldorf.

Land haftet nicht für Schulden

Schlösser, Villen und kostbare Juwelen bekommt Frank Engberding bei seiner Arbeit nur selten zu sehen – für Reichtümer finde sich meist ein Erbe, und sei es auch ein ganz entfernter Verwandter. Bei hohen Beträgen, so Engberding, schalteten sich oft professionelle Erbenermittler ein, in Erwartung einer satten Provision. Im Bundesanzeiger und dem öffentlichen Gerichtsanzeiger werden Fälle veröffentlicht. Finden sich keine Erben, entscheidet ein Gericht über den Nachlass. Allerdings: „Der Beschluss des Gerichts, dass das Land NRW Erbe ist, beruht auf einer Vermutung, dass keine Erben vorhanden sind“, erklärt Frank Engberding. Finde sich später doch ein Erbe, sei das Land in diesem Falle deshalb 30 Jahre lang verpflichtet, das Erbe auszuzahlen. „Auskehren“ wird das genannt.

Meist sind es allerdings kleinere Geldbeträge, ein paar Möbel, abgewirtschaftete Immobilien, die bei der Bezirksregierung landen. „Mehr als die Hälfte unserer Fälle sind überschuldet“, sagt Engberding. Für die Schulden Verstorbener tritt das Land übrigens nicht ein – der Staat haftet nur beschränkt mit dem vorhandenen Nachlass.

40 geerbte Immobilien verwaltet die Bezirksregierung zurzeit und versucht sie zu vermarkten. Und das so schnell wie möglich, denn die meist alten Häuser verursachen Kosten. „Als Eigentümer sind wir auch verpflichtet, dieses Objekt zu sichern“, sagt Engberding. Bei der Vermarktung arbeite er eng mit Banken und anderen Gläubigern zusammen. Über Verkauf oder Zwangsversteigerung entscheide er einvernehmlich mit den anderen Beteiligten, denen es meist um Schuldentilgung gehe. Wie die Bezirksregierung Erbschaften zu Geld macht, dafür gibt es kaum Regeln. „Wir können alles machen, außer es ist sittenwidrig“, sagt Engberding.

An einen besonders außergewöhnlichen Fall kann er sich nicht erinnern. „Ein Ferienhaus in Ungarn, aber sonst nix dolles.“ Die Bezirkregierung Köln allerdings habe einmal eine Karibikinsel geerbt. Und im Regierungsbezirk Arnsberg seien im vergangenen Jahr 1,2 Millionen Euro ohne Erben geblieben.

Im Vergleich zum Vorjahr (2011 waren es 216 Fälle bei der Bezirksregierung Münster) ist die Zahl der Landeserbschaften 2012 gesunken. Er rechne für die Zukunft mit steigenden Zahlen. Angesichts vieler überschuldeter Nachlässe würden immer mehr Erben ausgeschlagen. Besonders im nördlichen Ruhrgebiet gelte das. „Wo die Arbeitslosigkeit am größten ist, gibt es die meisten Sozialfälle.“