Unter dem Dach des „Fährhauses“ finden Betroffene und ihre Angehörigen seit einem Vierteljahrhundert Unterstützung.
„Fährhaus“ nennt sich eine 1988 gegründete Selbsthilfegruppe für Alkoholabhängige und Angehörige. Und dieses „Fährhaus“ ist seit nunmehr einem Vierteljahrhundert gewissermaßen ein sicherer Hafen: Menschen, die noch alleine auf der anderen Seite des Ufers gehen, werden von der erfahrenen Besatzung der Fähre über den Fluss unter das schützende Dach des Fährhauses geholt. Hier treffen sie Menschen, die sie verstehen.
Probleme gemeinsam besprechen
„Denn wichtig ist: Alkoholiker und Angehörige können Alkoholiker und Angehörige am besten verstehen“, sagt „Fährhaus“-Mitbegründer Manfred Biskup. Dass nicht nur die Alkoholkranken selbst, sondern auch ihre Partner, ihre Vertrauten, zu den Treffen der Selbsthilfegruppe kommen, ist für Manfred Biskup ganz wesentlich: „Alkoholiker haben zu Hause Reibereien. Diese Probleme müssen auch zusammen besprochen werden“, ist der 74-Jährige überzeugt.
Alkoholismus sei eben eine „Familienkrankheit“, ergänzt „Fährhaus“-Mitstreiter Horst Pedd. Noch dazu eine Krankheit, die Betroffene oft lange nicht wahrhaben wollen. So paradox es klingt: „Als meine Frau sich scheiden ließ, war das der erste Schritt zur Besserung“, erzählt der 60-Jährige. „Ansonsten hätte ich weiter getrunken.“ So ein erschütterndes Erlebnis brauche vermutlich fast jeder Alkoholiker, um zu der Einsicht zu gelangen: Ich habe ein massives Problem. Ich bin krank.
Ist diese Einsicht allerdings erst einmal da, rät Manfred Biskup Betroffenen, zu einer Selbsthilfegruppe zu gehen – „ob bei uns oder woanders“. Denn: „Dort kann man weitere mögliche Schritte erfahren.“ Ein Entzug etwa bringe wenig ohne Therapie, ohne das Angehen der Probleme, die zum Alkoholismus geführt haben. Dass man die Krankheit in den Griff bekommen kann, dafür steht Biskup in Person: „Am 18. Mai bin ich 30 Jahre trocken.“ Ein Datum, das er jedes Jahr fast wie einen zweiten Geburtstag feiert. Trotzdem ist klar: „Man bleibt ein Leben lang Alkoholiker.“
Und so können Rückfälle drohen. Gerade auch in solchen Situationen bietet das „Fährhaus“ Unterstützung. Biskup: „Wir haben eine Liste, jeder kann jederzeit jemanden aus der Gruppe anrufen.“
Die Mitglieder sind zwischen 26 und 75 Jahre alt, bei ihren wöchentlichen Treffen kommen die unterschiedlichsten Themen zur Sprache. Alle drei Wochen kommt Diplom-Sozialarbeiter Reinhold Bürger dazu. Zudem steht einmal im Jahr ein Drei-Tagesseminar mit Bürger und Therapeutin Sabine Brill an. Nicht zuletzt planen die „Fährhaus“-Mitglieder auch gemeinsame Freizeitaktivitäten.